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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Jimmy. Bisschen schusselig, aber ganz nett, begeisterter Angler. Als er wieder zurückkam, war eine halbe Stunde vergangen.
    »Bist du noch da, Großer?«, schrie er zum Zelt hinüber.
    Keine Erwiderung. Tank war wohl schon weg, dachte er sich.
    »Noi! Wir fahren jetzt heim.«
    Urplötzlich stand da einer. Trigger hatte nichts gehört - keine Schritte, kein Blätterrascheln. Es war, als hätte ein Riese ihn dort abgesetzt, eine Figur auf einem Schachbrett.
    Es war ein Bürschchen, Pfadfinderstatur - eins sechzig, siebzig Kilo, so in etwa. Er trug Sandalen, Tarnhose, ein enges grünes T-Shirt und ein SAS-Barett.
    Aber in Vietnam war er sicher nicht gewesen. Er war noch keine vierzig und damit zu jung. Trigger fiel ein, dass Tank ihm erzählt hatte, alle Veteranen seien eingeladen, nicht nur
die aus Vietnam. Afghanistan, Timor, Somalia, Irak, die Salomonen - an geeigneten Kriegen herrschte kein Mangel.
    »Hey, Alter«, sagte Trigger. »Wo kommst du denn so plötzlich her?«
    Er drehte sich ein wenig ins Licht, und Trigger sah seine geweiteten Pupillen, den schmalen Ring der Iris. Die Haut an den Wangen war straff gespannt und mit einem Schweißfilm überzogen. Der Kiefer mahlte im Akkord und verzerrte das Gesicht.
    Instinktiv ging Trigger in Abwehrstellung. Er setzte den rechten Fuß ein Stück zurück, ging leicht in die Knie und verlagerte das Gewicht.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »In der Tat«, sagte der Mann, und seine langsame Sprechweise verblüffte Trigger, der auf einen Wortschwall gefasst gewesen war, einen von Amphetaminen elektrisierten Sprachstrom.
    »Nur zu«, ermunterte ihn Trigger.
    »Wozu du mir jetzt echt verhelfen könntest, wär’ne Muschi«, sagte er und lispelte leicht. ’ne Mussi .
    »Ich fürchte, wir haben schon Sperrstunde«, erklärte Trigger.
    »Na, vielleicht hilft das hier, wieder aufzusperren.«
    In seiner Hand lag ein Messer mit weißem Heft. Die Klinge lang und schmal, ein Känguru-Abziehmesser, ein Fisch-Filetiermesser. Trigger hatte auch früher schon Angst gehabt - vor seinem alten Herrn, wenn er wieder mal besoffen war, auf dem Football-Feld, bei ganz normalen Kneipenschlägereien -, aber noch nie so wie jetzt. Jetzt verstand er zum ersten Mal, was es hieß, vor Angst die Hosen voll zu haben, sich bis ins innerste Mark zu fürchten.

    »Leck mich!«, sagte Trigger.
    »Nicht ganz, was ich im Sinn hatte«, entgegnete der Eindringling und lachte über seinen eigenen Scherz. »Zweihundert, richtig?«
    Trigger fand die Worte wieder. »Das ist der Tarif.«
    Das Messer lag jetzt in der anderen Hand. Der Kiefer mahlte ununterbrochen.
    »Weißt du - ich find’s immer Kacke, wenn ich im Voraus für die Muschi blechen soll.« Für die Mussi .
    »Ist doch kein Problem, Kumpel«, sagte Trigger. »Geh einfach rein und zahl später.«
    Als der Kerl mit dem SAS-Barett im Zelt verschwand - ein Känguru-Häuter, der ein Känguru abziehen geht, ein Fischfiletierer, der sich daranmacht, einen Fisch zu filetieren -, gab Trigger Tregenza, achtmaliger Torschützenkönig, dreimaliger Bester und Fairster Spieler, Fersengeld.

15
    Barry wachte erst spät auf. Es war schon nach sieben, als er sich im hell erleuchteten Zelt den Schlaf aus den Augen blinzelte. Sein Gaumen schmeckte nach Chemie, und er erinnerte sich an die Pillen, die Tank ihm eingeflößt hatte. Nur schneckenhaft träge gelang es seinem Hirn, den Abend bis dorthin zu rekonstruieren - alles voller Leute, alles voller Autos, alles geht den Bach runter. Er zog sich seine Shorts an und stürzte, auf das Schlimmste gefasst, ins Freie.
    Das Feuer glomm noch leicht. Daneben schlief zusammengekauert ein Aborigine. Überall Bierdosen in allen Farben des Regenbogens. Hier Ketchup blutende Pappteller.
Dort ein Nest aus leeren Jim-Beam-Flaschen. Es war eine Schande, aber in ein, zwei Stunden sollte das alles behoben sein, schneller, wenn er Unterstützung fand.
    Barry spürte, wie seine Schultern sich senkten, sein Kiefer sich entspannte. Tank hatte recht gehabt - die Feier hatte den Veteranen gutgetan. Es war falsch gewesen, ihnen nicht zu vertrauen - sie waren erwachsene Männer, etliche von ihnen Großväter.
    Er machte sich auf den gewohnten Morgenspaziergang, folgte wie immer ein paar hundert Meter dem Bach - der mittlerweile kaum noch ein Rinnsal war - und ging dort, wo der Bach links abknickte, nach rechts. Beim Trampelpfad zweigte er ein zweites Mal rechts ab. Hinter dem Partygelände ging es zu den Termitenhügeln.
    Für gewöhnlich

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