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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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erste Australienreise, dafür sei er schon in Südamerika gewesen. Bali, sagte Dusty. Oft. Thailand. Indien.
    »Hast … du … eine … Freundin?«, wollte Dusty, mutiger geworden, wissen.
    »Bitte?«
    »Freundin? Verlobte? Frau?«
    Es dauerte ein bisschen, bis Tomasz antwortete. »Nein.«
    Im Dienst wäre Dusty diese Pause verdächtig erschienen.
Die meisten Menschen sind keine geborenen Lügner und brauchen Zeit, um sich etwas auszudenken. Hier aber war es anders - sie hatten beide zu viel getrunken, er sprach nicht seine Muttersprache; bis zum Beweis des Gegenteils war die Pause unschuldig.
    »Und … du … Dusty?«
    »Keine Freundin«, erwiderte sie, und sie sahen einander in die Augen. »Und auch keinen Freund.«
    Die Bar war jetzt gut gefüllt, und die Zweimannband spielte ohne Rücksicht auf Verluste »Crocodile Rock«.
    »Willst … du … tanzen?«, fragte Dusty und leerte ihr Bier.
    Tomasz zeigte mit dem Finger auf sich. »Ich?«, sagte er und wackelte mit den Schultern. »Tanzen?«
    »Ja. Du«, sagte Dusty und wackelte mit den Schultern. »Tanzen.«
    »Klar.«
    Dusty wollte sich erheben, aber ihre Beine rührten sich nicht vom Fleck. Am vernünftigsten wäre es, die Idee mit dem Tanzen schnellstmöglich zu vergessen, das war jetzt eine Nummer zu groß. Besser wäre es, genau da, wo sie war, zu bleiben und unter Umständen sogar dem Drängen der Schwerkraft nachzugeben und die Stirn auf diesen völlig mit Bier besudelten, aber dennoch erstaunlich einladenden Tisch zu betten.
    Sie schaute zu Tomasz hoch. Irgendwie weigerte er sich zwar standhaft, ihr scharf vor Augen zu treten, trotzdem war sie sicher, dass er echt süß war. Und er hatte ganz eindeutig keine Angst vor ihr, also zum Teufel mit dir, Julien! Nichtsdestotrotz, er stand, sie nicht.
    Dann trat noch jemand in ihr Gesichtsfeld - ihr Freund, der Tongaer. Er nickte ihr zu, und Dusty wusste genau, was
dieses Nicken bedeutete - sie waren jetzt ein Team, und wenn es unschön würde, dann wäre er zur Stelle, um ihr beizustehen. Er war voll süß und noch einer, der keine Angst vor ihr hatte, also noch mal zum Teufel mit dir, Julien!
    Sie konnte nicht beide enttäuschen, nicht Tomasz und den Tongaer.
    Also versuchte sie noch einmal aufzustehen. Trotz des heftigen Schwankens schaffte sie es, sich auf den Beinen zu halten. Tomasz fasste sie sanft am Ellbogen. Es war nicht viel, aber es reichte aus. So gesichert, betrat sie mit ihm die Tanzfläche, als »Crocodile Rock« gerade zu Ende ging.
    Die Insulanerin sagte: »Jetzt kommt eine etwas langsamere Nummer, die mir sehr viel bedeutet: ›My Island Home‹.«
    Es gab ein paar freudige Ausrufe, aber die Mehrzahl der Tänzer verdrückte sich. Die verbliebenen Pärchen klammerten sich sofort aneinander. Verlegen stand Dusty mit Tomasz da und wusste nicht recht, was sie tun sollte.
    Mit halb geschlossenen Augen, das Mikrofon in beiden Händen haltend, fing die Insulanerin zu singen an. Dusty trat näher zu Tomasz, legte ihm die Hand auf die Schulter und streckte die andere mit gespreizten Fingern von sich.
    »Wollen wir?«, sagte sie und wunderte sich, dass es nicht ganz so verrucht klang wie beabsichtigt.
    Er verschränkte seine Finger mit ihren, und sie spürte seine Hand auf dem Rücken. Sie tanzten. Langsam.
    Dusty schmiegte sich an Tomasz. Tomasz schmiegte sich an Dusty. Sie tanzten eng.
    »Hmmmm. Schön«, sagte Dusty und drückte sich enger an ihn.
    »Ja«, fand Tomasz.

    Händchen haltend traten Dusty und Tomasz um drei Uhr aus dem Kitty O’Flanagan’s auf eine Mitchell Street voller Menschen in verschiedenen Stadien des Rausches, die allesamt versuchten, nicht vorhandene Taxis anzuhalten.
    Als Dusty dann aber die Hand hob, tauchte wie aus dem Nichts eines auf. Sie zog die hintere Tür auf. »Rein mit dir.« Nach einigen Verrenkungen gelang es dem schlaksigen Tomasz einzusteigen, gefolgt von Dusty, die die Tür hinter sich zuzog.
    »Wohin?«, fragte der Fahrer gelangweilt.
    Dusty erinnerte sich an Trace’ Regel Nummer zwei: Zimmer mieten. Niemals und unter gar keinen Umständen nimmt man einen Rucksacktouristen mit nach Hause.
    »Ins nächste Motel, mein guter Mann«, wollte Dusty gerade erwidern, als sie den Fahrer erkannte. Dieser schwarz glänzende Pferdeschwanz. Das war Franky Ng!
    »Lieber Gott. Schon wieder der Gärtner.«
    Frankys Pferdeschwanz sauste herum. »Also, wo geht’s hin?«
    Völlig ausgeschlossen, jetzt noch »Ins nächste Motel« zu sagen. Nicht, wenn Franky, der Exkunde, sie

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