Vor dem Regen - Roman
Rucksacktourist, Schätzchen«, sagte Dusty.
»Oh«, erwiderte Saskia und überlegte, ob dies eine hinreichende Erklärung sei. Offenbar war das der Fall, denn sie hielt sich nicht länger damit auf. »Der hat aber einen echt weißen Hintern.«
Dusty lächelte. Er hatte wirklich einen echt weißen Hintern. Aber süß.
»Aber deiner Mum erzählst du nichts von dem Touri, abgemacht, Saskia? Der bleibt unser kleines Geheimnis.«
Saskia kicherte - Geheimnisse waren klasse. »Abgemacht, Tante. Spielen wir jetzt im Swimmingpool mit den Ringen?«
»Gib mir zehn Minuten, okay?«
»Okay.«
Saskia lief aus dem Zimmer, stürmte die Treppe hinunter und schrie: »Mummy, Mummy, Tante Dusty und ich, wir haben ein total großes Geheimnis!«
Dusty nahm den Badeanzug vom Geländer und zog ihn an. Ganz vorsichtig ging sie die Treppe hinunter und über die Fliesen. Sie hechtete ins Becken. Durch die Nase stieß sie Luftblasen aus und ließ sich auf den Boden sinken. Am flachen Ende sah sie zwei braune Beinpaare - das waren Nath und Dylan, Trace’ Söhne. Als ihre Lunge zu brennen begann, ließ sie sich nach oben treiben.
Trace lag im Sarong auf der Bananenliege, die NT News auf dem Schoß, in der Hand einen Pappbecher mit geeistem Kaffee. Wie so viele Top-Ender - und alle Südaustralier - war sie süchtig nach dem Zeug. Neben ihr stand Saskia, am Unterarm, wie überdimensionierte Armreifen, fünf kunterbunte Ringe.
»Morgen, Schwester«, sagte Dusty und stemmte sich aus dem Becken.
»Also, wer ist er?«, fragte Trace.
»Saskia!«, rief Dusty und spritzte die Verräterin an. »Ein Deutscher«, kicherte sie.
Trace schüttelte den Kopf. »Was hab ich dir gesagt? Nimm ein Zimmer!«
»Ja, ja.«
Saskia zeigte auf Dustys Hand. »Mummy sagt, man soll sich nicht vollschreiben.«
Dusty sah auf ihren Handrücken, wo TEI geschrieben stand. Daneben war noch ein anderes Wort, aber das war schon zu verwaschen. Dusty war sich aber ziemlich sicher, dass es MÄDCHEN hieß. Tei Mädchen. Sie sagte die Worte ein ums andere Mal vor sich hin, um ihr Erinnerungsvermögen wieder in Gang zu bringen. Und dann war plötzlich wieder alles da. Thai, nicht Tei. Franky Ng! Das verschwundene Mädchen!
»Tut mir leid, Trace, aber ich kann heute doch nicht.«
»Na toll, wirklich toll. Die Kinder haben sich die ganze Woche drauf gefreut.«
»Es tut mir ja leid. Ihr könnt gerne hierbleiben, solange ihr wollt. Aber ich muss dringend etwas erledigen.«
»Blöder Balanda .«
Balanda . Weißer.
»Trace, ich erklär dir später, worum es geht, okay.«
»Schwester, ich glaube, das kann ich mir ziemlich gut vorstellen«, entgegnete Trace, schürzte die Lippen und zeigte auf die Jungs, die durchs Wasser tollten. »Oder was meinst du, wo ich diese Ungeheuer herhabe?«
23
Tomasz kannte den Weg - es war dieselbe Straße, auf der sie nach Uluru gefahren waren. Nur war das in einem Kleinbus mit Klimaanlage gewesen, aber jetzt saß er in Dustys uraltem Pick-up. Er wunderte sich darüber, dass man mit so
einer Karre überhaupt auf die Straße durfte - in Deutschland bekäme man dafür keine Zulassung.
Als er seinen Kollegen erzählt hatte, dass er den Jahresurlaub in Australien verbringen würde, waren alle neidisch. Da ist es warm! Die Strände sind ein Traum! Und die Australierinnen so unglaublich sexy! Tomasz wischte sich den Schweiß von der Stirn und fragte sich, was seine Kollegen wohl zu dieser »Wärme« gesagt hätten. Was würden sie sagen, wenn er ihnen erzählte, dass man zu dieser Jahreszeit nicht im Meer baden konnte? Weil es da nämlich Quallen gab, die einen ausgewachsenen Menschen umbringen konnten. Und was sie wohl zu Dusty sagen würden? War sie auch eine dieser sexy Australierinnen? Bei Tag sah er in ihrem Gesicht Falten, die er gestern Nacht nicht bemerkt hatte. Sie trug knielange Shorts, ein T-Shirt, Sonnenbrille. Ihr Körper gefiel ihm. Sie war kräftig, athletisch, hatte aber dennoch weibliche Rundungen. Ja, sie war eindeutig eine sexy Australierin.
»Heiß, was?«, sagte sie.
»Ja«, erwiderte er und erinnerte sich an den Schnellkurs, den Denise, die Reisebegleiterin im Bus, zum Thema Kraftausdrücke gegeben hatte.
» Fucking Schimpfwort heiß«, sagte er.
Dusty lachte, und ihm gefiel auch ihr Lachen. Es war ein lautes Lachen. »Für einen Quadratkopf bist du ganz schön komisch, weißt du das?«
»Quadratkopf« sagte ihm nichts, aber »komisch«, das verstand er natürlich und freute sich. In Deutschland fiel es ihm leicht,
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