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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sich.
    »Opa!«, kreischte Hayley, Tanks neunjährige Enkelin. »Schau, ich kann schon die dritte Position«, sagte sie, ließ die Löckchen wirbeln und beugte, ganz Ballerina, die Knie.
    Tank hatte folgende Theorie: Manche Männer, wie er zum Beispiel, waren dafür gemacht, Großväter zu sein, aber nicht Väter. Mit »Dad« würde er niemals warm werden, aber »Opa«, da fühlte er sich daheim.
    »Wirklich wahr, mein Häschen?«, sagte er.
    »Opa, gehen wir an den Strand?«, wollte Bella wissen.
    Sie war sechs, ein echter Wildfang und über das Anfängerbrett, das er ihr geschenkt hatte, längst hinaus; jetzt wollte sie ein echtes Surfbrett.
    »Bisschen windig für den Strand heute«, wehrte Tank ab.
    Mit dem steifen Südwind, der heute wehte, hätte man einen Hund von der Kette reißen können. Die Enttäuschung
in den Gesichtern der Mädchen, vor allem bei Bella, versetzte Tank einen Stich.
    »Aber wisst ihr was, wir können zu Wylies Baths gehen, da ist es windgeschützt. Da kann man schnorcheln und die Fische beobachten.«
    »Ich weiß gar nicht, wo die Tauchsachen von den Mädchen sind«, sagte ihre Mutter.
    »Kein Problem«, sagte Tank. »Da findet sich schon was.«
     
    Es überraschte Tank nicht sonderlich, dort auf Trigger zu stoßen - er hatte schon gehört, dass er wieder in der Stadt sei, und er war schließlich immer schon gern zu Wylies gegangen. Was ihn aber überraschte, war, wie gut er aussah, durchtrainiert und braun gebrannt, und wie gut er sich anhörte - »Hallo Tank, toll, dich zu sehen, Alter!« -, als wäre die Sache im Territory nie passiert.
    »Das sind meine Enkelinnen, Hayley und Bella.«
    »Ich hab dich nie so als Opa gesehen«, sagte Trigger.
    Am liebsten hätte Tank ihn aus seinen Surfshorts geboxt - was wusste der Saftsack schon davon, Großvater zu sein?
    Er kümmerte sich erst einmal um die Kleinen, rieb ihre Schultern mit Sunblocker ein, passte die neuen Taucherbrillen und -flossen an und kehrte dann auf die Plattform zurück. Trigger übernahm das Reden. Er hatte sich in einer Pension in Randwick eingemietet. Die übrigen Gäste waren allesamt entweder sehr klein, Jockeys von der nahe gelegenen Rennbahn, oder sehr asiatisch - die Universität war ebenfalls ganz in der Nähe. Es war eine ziemliche Bruchbude. Trigger hatte ganz vergessen, wie teuer Sydney war, deshalb verbrachte er seine Freizeit zum größten Teil hier. Einen Job hatte er auch. Der Vater von Nathan Mason, Joe,
hatte etwas für ihn aufgetrieben - er war jetzt Sicherheitsmann im Coogee View Hotel. Nichts Tolles natürlich, aber die Nachtschicht kam ihm entgegen, und das Geld reichte gerade so.
    »Hast du denn irgendwas gehört?«, platzte es aus Tank heraus.
    »Spinnst du, Tank?«, sagte Trigger und blickte um sich. »Ball flach halten.«
    »Wie kommt es, dass wir gar nichts gehört haben? Da stimmt doch was nicht.«
    »Was hast du denn da für eine Sauerei an den Armen?«
    »Ein verdammtes Ekzem. Jedes Mal, wenn ich an einem Polizeirevier vorbeikomme, würde ich am liebsten reingehen.«
    Trigger packte Tank am Ärmel seines Polohemds und zog ihn zu sich her. »Jetzt hör mir mal zu, Tank«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du hältst schön brav Abstand zu den Cops, klar? Solche Mädchen, die sind nirgends erfasst. Kapierst du das? Wenn die verschwinden, kümmert das keine Sau. Ich hab sie nicht umgebracht. Du hast sie nicht umgebracht. Komm bloß nicht auf die Idee, dass du einem ganzen Haufen Leuten ohne Grund das Leben versaust.«
    »Opa!«
    Die beiden Mädchen, die Gesichter klatschnass.
    »Kriegen wir ein Wassereis?«
    »Wisst ihr was, Kinder«, sagte Tank, »wir gehen runter zur Coogee Bay Road und leisten uns ein richtiges Eis.«
    Trigger beäugte Tank, der seine Enkelinnen bemutterte wie eine alte Glucke. Wer hätte das je gedacht? Trigger hatte ja nicht mal gewusst, dass der alte Bastard überhaupt
Kinder hatte, von Enkeln ganz zu schweigen. Und trotzdem war er eine Gefahr. Wenn er zur Polizei ginge, wären sie alle geliefert. Trigger lieh sich am Kiosk einen Stift und ein Blatt Papier und schrieb ihm seine neue Handynummer auf.
    »Falls du irgendwann mal das Bedürfnis hast zu reden«, sagte er und gab Tank den Zettel.
    Der steckte ihn in die Hosentasche und schob seine Enkelinnen durch den Ausgang.
    Trigger schnappte sich seine Schwimmbrille und ging an den Beckenrand. Er war nicht gerade einer, der sich einen Fisch-Aufkleber an die Stoßstange pappte, aber er glaubte an eine

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