Vor dem Sturm (German Edition)
streicht leicht wie Zuckerwatte über mein Gesicht und meine Brust und schmilzt, als wäre die Hitze eine Zunge. Der Fußweg über den Parkplatz ist lang und zieht sich, obwohl wir einen ganz guten Platz fast in der Mitte erwischt haben; Skeetah läuft so schnell, dass er mich hinter sich lässt, während ich mich durch die Hitze schleppe, aber Big Henry beobachtet mich aus dem Augenwinkel und passt sein Tempo an.
Drinnen folge ich Big Henry, der Skeetah folgt, der Einkaufswagen aus dem Weg stößt, die von Frauen mit federleichtem Haar und fleckigen Unterarmen geschoben werden, die große Männer mit Panorama-Sonnenbrillen im Schlepptau haben. Die reichen tragen Khakihosen und Jachtclub-Polos, die anderen Militärshirts oder welche mit Jagdmotiven.
»Wir brauchen Wasser und Batterien und …«, zählt eine Frauauf, während sie ihren Buggy einen Gang hinunterrollen lässt und ein Teenager mit einer großen Lockenmähne hinter ihr herhüpft. Er hört ihr nicht zu, sondern schaut Skeetah und Henry von oben bis unten an, dann schaut er weg.
Skeetah ignoriert alle, als wären sie Hunde minderwertiger Abstammung. Big Henry tänzelt vorbei, murmelt »Sorry« und »’tschuldigung«. Ich bin klein und dunkel: unsichtbar. Ich könnte Eurydike sein, die durch die Unterwelt wandert, um sich ungesehen in Luft aufzulösen.
Es gibt nur etwa ein Dutzend verschiedene Sorten Hundefutter, und ich weiß, dass Skeetah schon weiß, welches er will. Er nimmt immer dieselbe Sorte: die teuerste. Einmal hat Daddy für Skeet im Futtergeschäft einen riesigen Sack No-Name-Hundefutter gekauft. Skeetah hat China damit gefüttert, und sie hat es in großen Happen gefressen, hat es verschlungen, als wäre es Wasser, und es dann durchfallartig als weiche Klumpen wieder ausgeschissen. Es sah aus wie Spiegeleier und lag überall auf dem Pit. Danach fraß sie einen Monat lang nur Essensreste, die Skeet aus dem Haus mitgehen ließ. Er hat den ganzen Monat im Schuppen verbracht, auf einem von Daddys alten Rasenmähern gepennt, bis er ihn eines Morgens unter ohrenbetäubendem Getöse angekurbelt hat. Dann ist er zur katholischen Kirche unten im Ort gegangen und hat sie überredet, ihn fürs Rasenmähen und Unkrautjäten auf dem Friedhof zu bezahlen. Hauptsächlich, weil sie das mit Mama wussten, schätze ich, ließen sie ihn machen. Er mäht dort im Sommer drei Mal die Woche, und im Winter jätet er. So verdient er sich das Geld fürs Hundefutter. An Daddys Saufabenden, wenn er unten im Oaks ist und zum Blues einnickt, habe ich Skeet manchmal aus Daddys Zimmer kommen sehen, die Hände in den Taschen zu Diebesfäusten geballt. Ich rechne ständig damit, dass Daddy eines Morgens aufwacht und feststellt, dass von seinem Geld etwas fehlt. Er würde auf den Flur rauskommen,nach Skeetah brüllen, Zorn und Alkohol wie Dampf ablassen, aber wir haben Glück gehabt. Bisher ist das nicht passiert.
»Mein Hund kommt gut mit dem da klar.« Als ich neben ihm bin, zeigt Big Henry auf eine große grüne Tüte; es ist nicht das billigste Hundefutter, aber auch nicht das teuerste. Skeetah beachtet ihn nicht; er zerrt bereits an einem anderen Fünfzig-Pfund-Sack.
»China mag, was sie mag.« Er murmelt die Worte. Der Sack hängt wie ein schlappes Kind über seiner Schulter und macht ein knirschendes Geräusch.
»Als Nächstes kaufst du ihr noch Allergiepillen. Marquise sagt, ein weißes Mädchen auf eurer Schule hat’n Hund, der gegen Gras allergisch ist.
Gras
«, flüstert Big Henry.
»Das kommt, weil manche kapiern, dasses zwischen Mensch und Hund eine Verbindung gibt.« Skeet macht einen Sprung und rückt den Sack zurecht. Er hängt jetzt gerade, bedeckt seine halbe Brust. »Gleichberechtigt.«
»Mein Hund müsste bloß niesen«, sagt Big Henry. Er zuckt die Achseln und lacht. Seine Augen haben die Farbe von ausgeblichenem Asphalt, und wenn er lächelt, schrumpfen sie in seinem Gesicht auf Fingernagelgröße.
»Dein Hund würde keine Luft mehr kriegen. Und er würde dich hassen«, sagt Skeet.
An allen Kassen sind lange Schlangen. Alle Einkaufswagen sind voll. Skeetah tritt von einem Fuß auf den anderen, und ich und Big Henry stoßen zusammen und wissen nicht, was wir machen sollen. Er prallt zurück und bringt das Regal mit den Süßigkeiten und Zeitschriften ins Wanken, und ich verschränke die Arme und halte meine Ellbogen fest. Ich habe das Gefühl, ich sollte einen Korb haben, frage mich, ob die Leute, wenn sie uns anschauen, sich fragen, wo unsere
Weitere Kostenlose Bücher