Vor dem Sturm (German Edition)
Augen zusammen und schaut Skeetah an, und Skeetah lehnt sich von der Tür zurück.
»He, Mann.« Ich höre das Kurbeln. Skeetah dreht das Fenster hoch.
»Ich glaub, ich hab dich schon mal gesehen.«
Skeetah hält mitten drin inne.
»Mähst du nicht Rasen?«
»Könnten Sie bitte vom Wagen weggehen?«, quieke ich.
»Auf dem Friedhof?«
Skeetah kurbelt das Fenster hoch, bis es dicht ist. Sofort ist es fünf Grad wärmer.
»Das Arschloch«, murmelt Skeetah. »Wieso guckt er nicht nach seiner Freundin?« Er würde am liebsten die Tür aufmachen, das weiß ich. »Wieso lässt er sie einfach da liegen, als ob er sie nich sieht, steigt über sie rüber wie über ’n Haufen Dreckwäsche?« Er würde dem Mann am liebsten eine reinhauen, dem blutenden Mann, mit der Tür. Er würde ihn am liebsten wüst beschimpfen.
»Er blutet schon.«
»Der kennt mich nich. Der wohnt ja nich mal in Bois Sauvage.«
»Vielleicht wohnt er in einem von den großen Häusern draußen am Bayou. Vielleicht geht er in eine von den Kirchen im Landesinnern und hat dich von unterwegs gesehen.«
Skeetah rollt sich an der Schulter ab, bis der Knauf sich in seinen Rücken bohrt und sein Kopf an der Scheibe lehnt. »Big Henry muss ihn hier wegholen.« Er sagt es, und schon kommt Big Henry über das Gras auf uns zu; er bewegt sich anmutig, wenn er rennt. Die Tollpatschigkeit, die ihn behindert, wenn er steht oder sitzt oder geht und Angst hat, etwas kaputt zu machen, ist wie weggeblasen.
»Sir, der Krankenwagen ist unterwegs.« Big Henry packt den Mann mit den Fingern einer Hand am Ellbogen. »Kommen Sie mit.«
Der Mann reibt sich den Kopf, verschmiert das Blut wie zu einem Stirnband. Seine Augen wandern hin und her, als würde er ein Buch lesen, das wir nicht sehen können.
»Sir.«
»Er hat das gar nicht verdient«, grummelt Skeetah und rutscht noch ein Stück tiefer. »China wartet auf mich.«
Der Mann geht gebückt, sein Kopf schwingt hin und her. Er starrt von der Straße in den Wald, in das Gewirr von Präriegrasund Gagelsträuchern. Er schwenkt beim Gehen nicht die Arme. Bei der Frau bleibt er stehen, aber er schaut sie nicht an. Stattdessen zieht er wieder sein Telefon hervor, wählt und spricht. Big Henry steht auf der anderen Seite der Frau. Er wartet. Als zwanzig Minuten später der Krankenwagen eintrifft, spricht der Mann immer noch. Die Frau schläft noch. Skeetah hat die Augen geschlossen; alle paar Minuten beben seine Nasenflügel.
Skeetah wirft sich den Sack Hundefutter über die Schulter, wie Randall sich manchmal Junior überwirft, und trottet damit zum Schuppen, noch ehe Big Henry das Auto geparkt hat. Big Henry zieht die Schultern hoch und legt einen Arm auf die Lehne des Sitzes, von dem Skeetah so eilig geflohen ist.
»Danke fürs Mitnehmen«, sage ich.
Big Henry dreht sich um, beugt den Arm, schaut mich an, als er spricht. Ich kann ihn fast nicht verstehen, so laut ist Chinas aufgeregtes Bellen im Schuppen. Sie schleudert die Laute von sich wie Messer.
Riff, riff, riff, riff
.
»Gern geschehn.«
Mein Mund macht einen Sprung, und ich weiß, dass es kein Lächeln ist, aber ich steige sowieso aus dem Auto aus und entferne mich von Big Henry. Er schaut mich immer noch an. Ich habe die Hände in den Taschen meiner Shorts und drücke gegen den Test, damit er beim Gehen nicht rausrutscht.
»Wasch dir am besten die Hände!«, rufe ich auf dem Weg ins Haus noch über die Schulter zurück. Es könnte Blut an ihnen kleben, das Blut dieses Mannes, in dem sich an seinen Händen etwas vermehrt. Das Körperinnere des Mannes nach außen gekehrt, um Big Henry krank zu machen. Als ich die Tür aufstoße, steht Big Henry schon draußen am Wasserhahn und schrubbt, als wolle er seine Haut abschälen.
Die alten rosa Fliesen im Badezimmer, die Mama mit Daddygelegt hat, fühlen sich nass an, aber ich kann keine Wassertropfen entdecken. Die Wanne ist trocken. Ich hole den Test hervor und lasse Wasser laufen, während ich das Plastik abreiße. Ich habe Filme gesehen, ich weiß, man muss auf das Stäbchen pinkeln, und das mache ich. Ich lege es auf den Rand der Badewanne und steige vorsichtig hinein, damit es nicht herunterfällt. Die Wanne ist aus irgendeinem Metall, und sie ist warm. Die Plastikmatte auf dem Wannenboden fühlt sich weich an. Ich beobachte das Stäbchen so wie Big Henry den Mann beobachtet hat. Meine Füße sind auf dem Weiß ganz schwarz, und wenn ich sie an der Wanne reibe, hinterlassen sie schmutzige Streifen; es wirkt,
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