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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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was ihr ahnungsvoll das eigene Herz bedrückte. Hatte Marie recht? Und schlimmer als das, hatte
sie selber
recht?
    Sie hätte wohl noch weiter gefragt und gegrübelt, wenn nicht die Schorlemmer eingetreten wäre. Diese kam, um ihrem Lieblinge »Gute Nacht« zu sagen. »Die Erbtochter ist da«, so schloß sie, »nun werden auch bald die Hochzeitszüge kommen.«
    »Ach, liebe Schorlemmer«, entgegnete Renate, »es ist mit euch Herrnhutern ein eigen Ding. Ihr seid fromm, aber prophetisch seid ihr nicht.«
    »Das darfst du nicht sagen, Renate. Wer den rechten Glauben hat, der sieht auch das Rechte.«
    »Das Rechte, aber nicht immer das Richtige. Die Wirklichkeit der Dinge läßt euch im Stich.«
    Die Schorlemmer lachte gutmütig vor sich hin.
    »Das sind so Sätze aus dem neuen Lewinschen Katechismus«, sagte sie. »Aber nichts mehr davon, mein Renatchen, für heute schlafe. Das wird wohl das Rechte und auch das Richtige sein.«
     
Zehntes Kapitel
     
Am Wermelin
    Lewin und Grell waren am frühesten auf, beschlossen aber, das Erscheinen der übrigen abzuwarten. Dies währte nicht lange. Schon nach Ablauf weniger Minuten hatte sich alles in der Halle versammelt, in der heute der Gäste halber auch das Frühstück genommen werden sollte. Nur die Damen fehlten noch; Renate ließ sich vorläufig entschuldigen, während die Schorlemmer, voll instinktiver Abneigung gegen den alten General, einfach fortgeblieben war, sich damit getröstend, daß ihre Abwesenheit doch von niemandem, vielleicht mit Ausnahme Berndts, bemerkt werden würde. Und dieser kannte den Grund. Jeetze trippelte geschäftig hin und her, jede neue Bammesche Zweideutigkeit mit leisem Gekicher begleitend und still in sich hinein bekennend, daß er, als er letzte Woche die schwarzen Gamaschen anlegte, an so heitere Hohen-Vietzer Tage gar nicht mehr geglaubt habe.
    »War Hoppenmarieken schon hier?« fragte Berndt.
    Jeetze verneinte, der alte General aber, der, trotzdem er im geheimen beständig mit ihr verglichen wurde, bis dahin nie von der Zwergin gehört hatte, fragte neugierig: »Hoppenmarieken? Wer ist das?«
    »Sie mag Ihnen selber antworten«, sagte Berndt. »Eben seh ich sie über den Hof kommen.«
    Und so war es. Ehe noch weitere Fragen gestellt werden konnten – denn auch Grell und Hirschfeldt waren aufmerksam geworden –, erschien der Gegenstand allgemeiner Neugier innerhalb der Glastür und war nicht wenig überrascht, an eben der Stelle, wo sonst nur die toten Vitzewitze von der Wand hernieder sprachen, einer heiteren Gesellschaft Lebendiger zu begegnen.
    »Hier, General, haben Sie Hoppenmarieken«, sagte Berndt.
    Und Lewin setzte hinzu: »Meine Freundin, nicht wahr, Marieken?«
    »Hohoho«, lachte die Zwergin und stellte die Kiepe vor sich hin, in der sie nun zu kramen begann, trotzdem alles, was sie brauchte, obenauf lag.
    »Briefe?« fragte Berndt.
    »Nei, jnädge Herr, man bloß de Berlinsche. Awers hüt steit et inn.«
    Und damit reichte sie Berndt die Zeitung herüber.
    »Ah, der
Aufruf!
«
    »Joa, dat süll et ja woll sinn. So seggte de Postminsch ook. Un een von de Küstrinsche Börgers röpp mi na'h: ›Nu geiht et los, Hoppenmarieken...‹ Na, man too, mi sall et recht sinn. Un vorbi is et nu mit de lütten Franzosen, dat 's man kloar; se röwern joa all, un de oll Genral...«
    »Füllgraf?«
    »Ne, de anner, de öwerste.«
    »Ah, General Fournier. Nun, was ist es mit dem?«
    »He wihr gistern bi Markgraf Hans' unnen. He sülwst, un fiev or söß von sine Genrals un Uffziers. All unnen in de Gruft.«
    »Und da haben sie nach den vierundzwanzig Wispeln Dütchens gesucht, die der Markgraf mit ins Grab genommen haben soll?«
    Hoppenmarieken nickte.
    »Und wer hat es dir erzählt?«
    »Oll Bäcker Mewes.«
    »Und was noch?«
    »Nich veel, un ihrst verstünn ick em nich. Awers dunn lachte joa Mewes und knipste mi und seggte: ›Bis' doch sünsten nich so dumm, Hoppenmarieken. Un nu paß upp. De Ruß is doa mitsamt sine Kosaken, un de hebben all ehre groten Ballerbüssen bi Quartschen und Tamsel. Un dat weten jo nu de lütten Franzosen ook un wullen sich nich ihrst rutrükern loaten. Se trecken aff. Un wenn een afftrecken deiht, denn nümmt he mit, wa he kreegen kann. Un dissentwegen wihren se gistern bi Markgraf Hansen unnen in sine Gruft. Awers se hebben nix fun'n.‹«
    »Das glaub ich wohl«, sagte Bamme und setzte dann, an Vitzewitz sich wendend, hinzu: »Markgraf Hans war ein Hohenzoller, und die verstehen's; die vergraben kein Pfund, am

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