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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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immer.«
    »Ich werde sie keinem andern reichen. Aber verlange von dieser Stunde nicht mehr, und am wenigsten binde dich.
Ich
, ich bin gebunden.«
    »O sage, daß du mich liebst, Renate. Sprich es, es hängt so viel an diesem Wort.«
    »Nein, nicht jetzt. Es sind nicht Zeiten für Bund und Verlöbnis oder doch nicht für uns. Aber andere Zeiten kommen. Und hast du dann das eigene Herz geprüft und das meine vertrauen gelehrt, dann, ja dann!«
     
Elftes Kapitel
     
Hohen-Ziesar
    Der Ausflug zu Drosselstein war auf zwei Uhr festgesetzt worden. Schon vorher hatten sich Berndt und Bamme verabredet, den Weg ihrerseits zu Pferde zurücklegen zu wollen. Der alte General auf seinem Shetländer. Ihnen gesellte sich Tubal, der, nach dem Vormittagsgespräche, von einer ihm selber unerklärlichen Scheu befallen war, die Fahrt an Renatens Seite zu machen. Er schien unsicher, welchen Ton er anzuschlagen habe. Oder war es ein anderes noch?
    Die Reiter nahmen einen Vorsprung. Sie konnten indes den Stein vor Miekleys Mühle kaum passiert haben, als auch schon das Schlittengespann vorfuhr, das die Geschwister samt Grell und Hirschfeldt nach Hohen-Ziesar hinüberbringen sollte. Jeetze stand mit Decken und Kissen bereit, Lewin nahm die Leinen, und einen Augenblick später zogen die Braunen an und trabten die stille Dorfgasse hinauf. Das Klingen der Glöckchen mischte sich mit der Heiterkeit unserer Reisenden, von denen Lewin auf der Pritsche ritt, während der auf einem bloßen Brettstück untergebrachte Grell die beständige Versicherung von der Bequemlichkeit seines Rücksitzes durch ein ebenso beständiges Hin- und Herrutschen widerlegte. Am plauderhaftesten war Renate. Sie fühlte sich glücklicher denn seit lange. Dasselbe Zwiegespräch, das in Tubal verlegen nachwirkte, war ihr über Erwarten hinaus eine Quelle des Trostes geworden. Was sie dem alten Geheimrat in der Bohlsdorfer Kirche gesagt hatte: »Du pochst nicht an die rechte Tür«, das war damals wie zu jeder Zeit der Ausdruck ihres Herzens gewesen. Solange sie Tubal liebte, hatte sie auch der Zweifel begleitet, ob ihre Liebe von ihm erwidert werde, und dieser Zweifel, quälender als alles andere, war nun von ihr genommen. Er liebte sie. Was bedeutete daneben die Frage nach der Dauer oder nach der Treue seines Gefühls? Was war, verglichen damit, die bloße Zukunftsfrage: »Werd ich glücklich oder unglücklich sein?« Jetzt war sie glücklich, und ein verbleibender Rest von Furcht, der sie leise durchschauerte, steigerte nur das Hochgefühl des Augenblicks. Ihr war, als schreite sie durch einen Wald, aus dessen Tiefen es dunkel und banggeheimnisvoll erklinge; aber was ihr die Nähe bot, das war Licht und Sonnenschein und Jubilieren der Vögel. Lewin hatte recht, der von helleren Tagen, und die Schorlemmer hatte recht, die von lauter Hochzeitszügen gesprochen hatte. Marie war eine Schwarzseherin, und sie selber war es mit ihr. Aber das lag nun zurück; sie war es
gewesen
.
    Diese glückliche Stimmung zeigte sich auch in der Unbefangenheit des Gesprächs, das sich bald um den Grafen zu drehen begann.
    »Ist er mit den ostpreußischen Drosselsteins verwandt?« fragte Hirschfeldt.
    »Gewiß; er gehört ihnen zu«, antwortete Renate, »und es ist ein glücklicher Zufall, daß wir ihn trotzdem in unserer Provinz haben. Er erbte Hohen-Ziesar in den ersten Jahren seiner Ehe und bezog es, um in der Nähe des Hofes zu leben. Es war aus Rücksicht gegen seine junge Frau.«
    »So ist er verheiratet?« fragte Hirschfeldt weiter.
    »Er war es. Die Gräfin starb; erst Abzehrung, zuletzt ein Blutsturz, der sie tötete. Sie war sehr schön, eine Gräfin Lieven. Als sie starb, verbarg sich der Graf vor der Welt; er war nur dann und wann in Dresden, und es hieß, daß er zum Katholizismus übertreten werde.«
    »Die Drosselsteins zählen sonst zu den festesten Protestanten.«
    »Auch wohl der Graf. Aber es gibt Lagen – so wenigstens sagte die Tante, der ich auch die Verantwortung dafür zuschiebe –, wo der Protestantismus versagt und der Katholizismus das Herz weicher bettet.«
    »Und in einer solchen Lage war der Graf?«
    »Man behauptet es. Lewin mag Ihnen davon erzählen; es ist eine romantische Geschichte, und romantische Geschichten sind sein Steckenpferd. Übrigens alles in allem, ich glaube, was man sich erzählt. Sie werden das Bild der Gräfin sehen und mögen dann selber urteilen. Es hängt in dem Empfangszimmer: eine blaßblaue Robe, mit weißen Rosen besetzt. Nur eine,

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