Vor dem Sturm
wenigsten vierundzwanzig Wispel Dütchen; die Hohenzollern wollen Zinsen haben. Das hätt ich dem Küstrinschen General sagen können. Aber freilich, er würd es mir nicht geglaubt haben.«
Hoppenmarieken, die kein Wort von dem allen verstanden hatte, lachte nichtsdestoweniger, nickte dem alten General vertraulich zu und verließ dann, salutierend und ihr übliches Kauderwelsch vor sich hin sprechend, die Halle.
»Ein Prachtexemplar«, sagte Bamme. »Hätt ich einen kleinen fürstlichen Hof,
die
ließ ich auf Hokuspokus abrichten, auf Tränkchen und Wahrsagerei.«
»Da wäre Geld und Mühe weggeworfen«, antwortete Berndt. »Sie versteht es ohnehin schon.«
»Desto besser; aber nun den ›
Aufruf‹
. Lassen Sie hören, Vitzewitz.« Und dieser begann zu lesen.
Während der ersten zehn Zeilen blieb aller Aufmerksamkeit gefesselt, bald aber ließ diese nach und
mußte
nachlassen, da man allerhand Halbheiten entdeckte und guten Grund hatte, sich im ganzen arg enttäuscht zu fühlen. Dieses Gefühl war so stark, daß das Erscheinen Schulze Kniehases, der noch vor Schluß der Vorlesung eintrat, kaum als eine Störung empfunden wurde.
»Setzen Sie sich, Kniehase«, sagte Berndt. »Was bringen Sie?«
»Gute Zeitung, gnädiger Herr; wir haben ihn.«
»Wen, den Vizekönig?«
»Nein, nicht so hoch hinaus, aber doch den italienischen Grafen. Eben war der Trebnitzer Verwalter bei mir; in seiner Kirche liegen die ganzen hundert Mann gefangen. Den Grafen haben sie nach Seelow gebracht, weil er einen Hieb über den Kopf hat.«
»Erzählen Sie.«
»Nun also: es muß so gestern um die Mittagsstunde gewesen sein, als sie durch Alt-Rosenthal kamen. Gleich dahinter fängt die Trebnitzer Heide an, rechts hohe Stämme, aber nach links hin eine Kusselschonung, und der Kusselschonung, so meinte der Verwalter, der trauten sie nicht recht. Aber was half es, sie mußten durch, weil sie vor Dunkelwerden noch nach Jahnsfelde wollten. Und so marschierten sie denn dicht aufgeschlossen und die Kriegskasse immer in ihrer Mitte bis an den kleinen See, der schon zwischen den Kusseln liegt und eigentlich bloß ein Tümpel ist und den die Rosenthalschen und die Trebnitzer den ›Wermelin‹ nennen. Und da war es ja nun vorbei mit ihnen, denn dahinter steckten sie ja gerade, und nun vorwärts, immer mit Hurra, was die Franzosen von Moskau her gar nicht mehr hören können. Und da warfen sie die Gewehre weg und gaben sich gefangen.«
»Alle?«
»Bis auf den Grafen. Der riß eins der Gewehre wieder auf und schoß einen aus dem Sattel. Aber Tettenborn kam ihm von der Seite und hieb ihn über den Kopf, daß er niederstürzte.«
»Tettenborn?« fragten alle.
»Ja, Oberst Tettenborn mit zwanzig Kosaken. Er war denselben Morgen bei Zellin über die Oder gegangen. Jetzt ist er in Seelow, wohin er den Grafen abgeliefert hat. Und hat ihm auch seinen Degen wiedergegeben, weil er sich als ein tapferer Offizier und Mann von Ehre gezeigt habe.«
Bamme faßte sich zuerst. Er hatte, wie Berndt und alle anderen, bei Beginn der Erzählung von einer Barnim-Lebuser Waffentat zu hören geglaubt und war, als der Name Tettenborn fiel, einen Augenblick ernstlich verstimmt gewesen, die ganze geträumte Landsturmherrlichkeit auf ein neues Kosakenstückchen hinauslaufen zu sehen. Aber der alte General war nicht der Mann, irgendeinem Ärger länger als zwei Minuten nachzuhängen, hatte vielmehr umgekehrt ein ausgesprochenes Talent, auch das Ärgerlichste sofort wieder von der guten Seite zu nehmen.
»Ziehen wir die Summe, Vitzewitz, so haben wir uns aus drei Gründen zu gratulieren: erstens hab ich recht behalten (was in meinen Augen immer eine Hauptsache bleibt), zweitens haben wir den Conte samt seinen hundert Mann, und drittens haben wir die Kosaken oder doch ihre Vorhut
diesseits
der Oder. Ärgerlich genug, denken Sie. Aber wie die Dinge liegen, bleibt uns nichts übrig, als mit jedem Winde zu segeln, auch mit diesem Windbeutel von Tettenborn. Also keine Kopfhängerei, Vitzewitz. Etwas wird auch für uns noch übrigbleiben, und wenn es bloß der Vizekönig wäre, nach dem Sie sich bei Schulze Kniehase so teilnehmend erkundigt haben.«
Das half, Berndt gewann seine gute Laune wieder, und eine Fahrt nach Hohen-Ziesar, welches letztere Bamme, trotz seiner vieljährigen Beziehungen zu Drosselstein, noch immer nicht kennengelernt hatte, wurde verabredet. Der alte Vitzewitz entschied sich für eine vorgängige schriftliche Anmeldung und ging in sein Arbeitscabinet
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