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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Hier brannten schon – die Gardinen waren geschlossen – zwei achteckige zierliche Kandelaber und gaben Licht genug, das Zimmer in allen seinen Teilen erkennen zu lassen. In die Stuckwände waren antike Mosaiken eingelassen, Darstellungen von Wild, Geflügel, Fischen, während an der Decke die »Hochzeit der Psyche« nach Giulio Romanos gleichnamigem Fresko im Palazzo del Té zu Mantua eine für unsere damaligen Kunstverhältnisse bemerkenswert gute Nachbildung gefunden hatte. Bamme sah nichts von all diesen Dingen, desto mehr Grell, dessen natürlicher Sinn dafür im Moltkeschen Palais ausgebildet worden war.
    Renate hatte den Platz zwischen Drosselstein und Bamme. Dieser, vielleicht von Jugend auf, jedenfalls aber seit den Tagen der Guser Tafelrunde fest an dem Satze haltend, daß Medisieren das beste Mittel zu Durchbrechung aller bloßen Unterhaltungspräliminarien sei, warf sich heute mit Ungestüm auf Seidentopf, den er schon mehrere Stunden früher, in der Hohen-Vietzer Pfarre, bei Vorführung des »Odinswagens« zum Opfer für die bevorstehende Dinerkonversation ausersehen hatte. Freilich mit schließlich ausbleibendem Erfolg; ausbleibend, weil er sich, wie der Augenschein lehrte, wieder einmal geirrt oder, um ihn selber zu zitieren: »wieder einmal vor nicht ganz richtigen Ohren« gesprochen hatte. Drosselstein nämlich war zu vornehm, um überhaupt viel zu lachen, Lewin und Renate hatten den Justizrat über eben dasselbe Thema besser und mit noch größerem Behagen perorieren und phantasieren hören, und Berndt – sonst nach Art aller ernster angelegten Naturen ein allerdankbarstes Publikum für Scherz und Heiterkeiten – steckte doch gerade heute zu tief in seinen Plänen, um sich an Bammes Exkursen über die sechs vorgeblichen Odinsvögel ergötzen zu können. Er nahm vielmehr eine flüchtige Pause wahr, um mit einem kurzen »ad vocem Seidentopf« dem ihm gegenübersitzenden Drosselstein die Mitteilung zu machen, daß er, in seiner Eigenschaft als Patron, die Verlesung des »Aufrufes« von der Kanzel für nächsten Sonntag angeordnet habe.
    Und nun rollte statt des »Odinswagens« das Thema »Aufruf« eine Viertelstunde lang friedlich über den Tisch hin, bis von seiten Drosselsteins die mehr oder weniger provozierende Bemerkung gemacht wurde, daß er in dem Aufrufe das Ost
preußische
vermisse. Er fühle wohl, daß er durch ein solches Wort den Vorwurf einer gewissen Parteilichkeit auf sich lade; der Geist der Provinzen sei nun aber mal ein verschiedener, und die Haltung des märkischen Adels, dem er dadurch nicht zu nahe zu treten gedenke, werde jedenfalls zu sehr durch persönliche Beziehungen bestimmt. Davon wisse man sich in seiner heimatlichen Provinz frei. »
Ihr
Stolz«, so schloß er, indem er sich gegen Vitzewitz und Bamme leise verneigte, »ist die Loyalität, die Diskretion, die Reserve;
unser
Stolz ist die Freiheit. Unter den Händen Dohnas oder Schöns oder Auerswalds hätte dieser Aufruf eine andere Gestalt gewonnen. Seine Tugend ist die Vorsicht, er hat den Hofstempel; was ihm fehlt, ist die Sprache der Gradheit und Männlichkeit.«
    Bamme wollte scharf antworten, bezwang sich aber, um keine Störung aufkommen zu lassen, und sagte nur: »Sonderbar, je nordöstlicher, desto verpflichteter werden wir jetzt. Wir verdanken den Ostpreußen viel, aber noch mehr, so scheint es, sollen wir den Kosaken verdanken. Wir haben sie seit gestern diesseits der Oder. Haben Sie schon von dem Überfall zwischen Alt-Rosenthal und Trebnitz gehört? Hundert Mann gefangen. Es wird Aufsehen machen.«
    Der Graf war noch ohne Nachricht. Er ließ sich erzählen, folgte mit sichtlichem Interesse den etwas stark gefärbten Bammeschen Schilderungen und war nur schließlich überrascht, sich ohne weiteres »zu Herbeiführung nunmehriger gemeinschaftlicher Operationen« aufgefordert zu sehen. Nicht mit Tettenborn, sondern mit Tschernitscheff in Person.
    »Sie müssen ins Hauptquartier, Drosselstein«, resolvierte Bamme, »und zwar morgen schon. Unser eigener Kopfbestand ist in diesem Augenblick besser, als er nach acht Tagen sein wird. Jetzt hab ich noch einen Aide de camp; aber wie lange bin ich seiner sicher? Jede Stunde kann er auf und davon fliegen. Also rasch. Es muß ein größerer Coup unternommen werden, und ich habe so meine Pläne. Aber dazu bedürfen wir der Russen. Sie kennen ja Tschernitscheff und alles, was um ihn her ist, von Ihren Petersburger Tagen her.«
    Bamme, trotzdem er von den seinerzeit

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