Vor dem Urknall
Sterns.
Mancher Kollege hat also Herschels Vorschlag, die Milchstraße sei nur einer von vielen Nebeln, nicht mitbekommen. Und ähnlich verhält es sich mit der Bedeutung des Ansatzes, den Herschel wählte. Viele Jahre später gab der große britische, in Neuseeland geborene Physiker Ernest Rutherford den Kommentar ab: «Jede Wissenschaft ist entweder Physik oder Briefmarkensammeln.» Auch wenn dieser Spruch offenbar darauf abzielte, andere Wissenschaftler zu irritieren (und noch immer sehr gut funktioniert, um Biologen zu ärgern, die mehr als ein bisschen empfindlich sind, wenn es um den Ursprung ihrer Wissenschaft geht), machte dieser Kommentar in gewisser Weise Sinn.
Bis vor kurzem ging es in den Wissenschaften außerhalb der Physik – vor allem in der Biologie – fast ausnahmslos um Katalogisierung und Klassifizierung. Es fanden keine Erklärungsversuche statt, warum oder wie die Dinge geschahen. Das Vorhandene wurde lediglich detaillierter erfasst. Eine solche Anhäufung von Informationen ist notwendig, wenn die anspruchsvollere Wissenschaft der Erklärung funktionieren soll, dennoch traf Rutherford wohl den Nagel auf den Kopf, als er diese Arbeit als «Briefmarkensammeln» bezeichnete.
In Herschels Tagen und noch eine Zeitlang danach war die ganze Astronomie eine Variante der Wissenschaft des Briefmarkensammelns. Sogar Herschel selbst leistete eine enorme Katalogisierungsarbeit und ist genau deswegen berühmt geworden, vor allem als er der kleinen Anzahl von Planeten, die seit dem Altertum bekannt waren, Uranus hinzufügte. Als er jedoch über die Nebel schrieb, ging er darüber hinaus. Er versuchte, den Ursprung der Nebel und die hinter den Beobachtungen stehenden Entwicklungen zu erklären, statt einfach nur zu berichten, was er sah, was damals ziemlich revolutionär war. Damit hatte er die Astronomie in den Rang einer fortschrittlichen Wissenschaft erhoben.
Herschels Theorien verursachten einen ziemlichen Wirbel, da sein Modell der Nebelbildung eine allmähliche Gravitationsanziehung erforderte. Was darauf hinauslief, dass das Universum eine außerordentlich lange Zeit brauchte, um die Form anzunehmen, die es heute hat, während man zu jener Zeit annahm, es sei in wenigen Tagen erschaffen worden, wie die Bibel es nahelegte. Man wollte dieses Thema lieber den Theologen überlassen, statt den Wissenschaftlern zu gestatten, die Bühne zu betreten. Ein Grund, warum Herschels Vorstellungen nicht bekannter sind, liegt womöglich darin begründet: Viele Mitglieder der astronomischen Hierarchie waren Kirchenmänner, die nichts von seinen Theorien hielten und es vorzogen, ihn zu ignorieren.
Herschels Ideen waren nahezu in Vergessenheit geraten. Dann tauchten sie in einem populärwissenschaftlichen Buch über das Universum, das 1905 erschien, wieder auf. Die angesehene britisch-irische Astronomin und Schriftstellerin Agnes Clerke nannte ihr Werk
The System of the Stars
und schrieb: «Die Frage, ob Nebel externe Galaxien sind, bedarf eigentlich keiner weiteren Diskussion … Man kann heute wohl sagen, dass kein fähiger Denker, der alle zugänglichen Beweise vor sich ausgebreitet sieht, mehr daran festhalten kann, irgendein einzelner Nebel sei ein Sternensystem vom gleichen Rang wie die Milchstraße.» Gefährliche Worte.
Verbesserte Technik
Im Lauf der Zeit wurden seit Herschels ersten Versuchen mit relativen Messungen die Teleskope zunehmend besser. Obwohl Herschels eigenes Riesenteleskop mit einem 120 -Zentimeter-Spiegel fast als Fehlschlag galt – die Handhabung war schwierig, worunter auch die Beobachtungen litten –, war es keinesfalls das letzte Wort in der expandierenden Welt der Optik. In Irland baute der exzentrische Graf von Rosse das viktorianische Beobachtungsmeisterwerk, das den Spitznamen «Der Leviathan von Parsonstown» erhielt. Heute heißt der Ort, wo sein Landgut lag, Birr. Dieses Instrument hatte einen 180 -Zentimeter-Spiegel und war erfolgreicher als Herschels großes Teleskop, was zum Teil daran lag, dass es beschränkter war.
Um es an jeden beliebigen Punkt am Nachthimmel ausrichten zu können, war Herschels Instrument auf ein gewaltiges Holzgerüst montiert worden. Ein enormer Aufwand war nötig, um es in die richtige Position zu bringen. Obendrein fehlte ihm die absolute Stabilität, die für klare Bilder erforderlich war. Im Gegensatz dazu war Ross’ Leviathan zwischen zwei Steinmauern aufgestellt. Dadurch hatte es zwar ein eingeschränktes Sichtfeld, war allerdings
Weitere Kostenlose Bücher