Vor dem Urknall
Materie des Universums mit ihren mindestens 100 Milliarden Galaxien, von denen wiederum jede einzelne mindestens 100 Milliarden Sterne enthält, auf so winzigem Raum zusammenquetschen wollten.
Bei Lemaîtres ursprünglichem Bild trat dieses Problem nicht auf, weil sein «Uratom» ein gewaltiges Objekt war, das jedes einzelne Proton, Neutron und Elektron, das heute existiert, schon enthielt. Es war zwar ein Atom, aber ein (relativ) riesiges. Je größer ein Atom ist, desto instabiler ist es. Deshalb wäre es sehr rasch in zunehmend kleinere, stabilere Atome zusammengefallen. Dennoch passte dieses Bild nicht zu einem Universum wie unserem, das zum größten Teil aus Wasserstoff und Helium besteht. Lemaîtres frühes Universum hätte mit schweren Atomen angefüllt gewesen sein müssen. Aus diesem Grund wurde ein anderes Bild eines kosmischen Saatkorns entwickelt, das tatsächlich mit einem winzigen Flecken begann, der faktisch null Größe hatte.
Bevor wir jedoch den Anfang betrachten werden, wie er nach der heutigen Urknalltheorie ausgesehen hat, sollten wir kurz noch eine Alternative erwähnen, die Lemaîtres ursprünglichem Bild näher kam. Diese Idee stammt von dem Physiker Ernest Sternglass und ist den meisten modernen Kosmologen gar nicht bekannt. Sternglass war – das sollte betont werden – ein seriöser Physiker und kein Spinner, aber seine Theorie hat sich nie durchgesetzt und ist wahrscheinlich nie ausreichend überprüft worden, um feststellen zu können, ob sie mit absoluter Sicherheit falsch ist.
Wie Lemaître stellte sich auch Sternglass den Anfang als ein «Uratom» vor, aber Sternglass konnte mit seinem fortgeschrittenen Wissen über Relativität und Quantentheorie dieses unglaublich massereiche Teilchen aus zwei normalerweise kaum wahrnehmbaren Teilchen zurechtzimmern: aus einem Elektron und seinem Antimaterie-Pendant – einem Positron.
Antimaterie
Obwohl Antimaterie gern als Energiequelle in Science-Fiction-Filmen zum Einsatz kommt, basiert sie auf einem soliden Konzept. Antimaterie ist dasselbe wie normale Materie, nur haben die Teilchen, aus denen sie besteht – verglichen mit den Teilchen in konventioneller Materie –, die entgegengesetzte elektrische Ladung.
Wenn zum Beispiel ein Elektron eine negative Ladung hat, ist das antimaterielle Gegenstück, das Antielektron, auch Positron genannt, positiv geladen. Es gibt ähnliche Entsprechungen aus Antimaterie für alle geladenen Teilchen. Werden zwei gegensätzliche Teilchen zusammengebracht, sagen wir, ein Elektron und ein Positron, ziehen sie sich gegenseitig an, krachen zusammen und werden zerstört, wobei sie ihre gesamte Masse in Energie umwandeln. Dies geschieht allerdings nicht, wenn ein negatives Elektron auf ein positives Proton trifft, weil dabei Kernkräfte zum Einsatz kommen, um die Vernichtung zu verhindern, aber keine derartige Kraft schützt die Begegnung von Materie und Antimaterie.
Sternglass stellte sich eine Art primitives Atom vor, bestehend aus diesen beiden Teilchen, wobei Elektron und Positron einander mit sehr hohen relativistischen Geschwindigkeiten umrundeten und ein einzelnes, unglaublich massereiches Teilchen hervorbrachten. Dieses Teilchen würde sich sodann spalten, um zwei noch immer außerordentlich massereiche Superteilchen zu produzieren. Diese würden sich dann erneut teilen und so weiter – so wie eine einzelne Zelle sich immer weiter teilt, bis ein menschlicher Fötus entstanden ist. Eine der frühen Teilungen der universellen Urzelle wäre verantwortlich für die Galaxienhaufen und die Galaxien, wie wir sie heute sehen. Spätere Teilungen würden die augenscheinlich elementaren Teilchen hervorbringen, wie wir sie heute kennen.
Sternglass stellte sich sogar einige verspätete Mini-Urknallereignisse vor, die aus den Aufspaltungen hervorgingen und zu gewaltigen Gammastrahlenausbrüchen führten – ein Phänomen, das in weit entfernter Raumzeit beobachtet worden ist. Diese Theorie hat gegenüber vielen anderen Vorstellungen den Vorteil, äußerst einfach zu sein. Hier haben wir wirklich grundlegende Bausteine, aus denen sich letztlich alles andere entwickeln kann. Es sollte jedoch betont werden, dass die Theorie trotz ihrer Einfachheit nicht simplifizierend war. Sie hatte nichts von einem unwissenschaftlichen Ansatz nach dem Motto: «Hey, alles muss mit einem einfachen Teilchenpaar begonnen haben.» Sternglass gründete seine Ideen auf guter Physik, und bis in die 1990 er Jahre hinein, als er
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