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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unterworfen. Tritt Windstille ein, so ist es mit jedem Vorwärtskommen aus. Obwohl sie übrigens denen der Dampfjachten überlegne nautische Eigenschaften besitzen, geht ihnen doch die Sicherheit des Ganges ab, die der Dampf den letzteren verleiht.
    Alles in allem genommen scheint es also, daß der Vorrang demjenigen Schiffe gebührt, das die Vortheile des Segels und der Schraube in sich vereinigt. Das war aber jedenfalls nicht die Ansicht des Grafen d’Artigas, da er sich für seine Seereisen, selbst wenn sie über die Grenzen des Atlantischen Oceans hinausgingen, mit einer einfachen Goelette begnügte.
    Am heutigen Morgen wehte ein schwacher Wind aus Westen. Die »Ebba« hätte also bequem das Becken der Neuze durchfahren können, um, den Pamplicosund durchquerend, nach einem jener »Inlets« – d. s. enge Wasserstraßen – zu kommen, die die Verbindung zwischen dem Binnensee und dem Meere bilden.
    Zwei Stunden später schaukelte die »Ebba« noch immer vor ihren Ankern, deren Ketten sich mit einsetzender Ebbe zu spannen anfingen. Die Goelette hatte sich gedreht und stand jetzt mit dem Hintertheile der Neuzemündung zugewendet. Die kleine Bake, die am Vorabend noch an ihrer Backbordseite schwamm, mußte in der Nacht eingeholt worden sein, denn man gewahrte sie nicht mehr im Plätschern der Strömung.
    Plötzlich donnerte in der Entfernung von einer Meile ein Kanonenschuß. Eine leichte Rauchwolke schwebte über den Batterien am Strande. Ihm antworteten einige Detonationen von den Geschützen, die auf den Lidos der schmalen Inseln an der Seeseite aufgestellt waren.
    In diesem Augenblick erschienen der Graf d’Artigas und Serkö auf dem Verdeck.
    Der Kapitän Spade trat auf sie zu.
    »Ein Kanonenschuß… sagte er.
    – Den haben wir erwartet, erwiderte der Ingenieur Serkö, leicht die Achseln zuckend.
    – Das bedeutet, daß unsre That im Healthful-House entdeckt worden ist, fuhr der Kapitän Spade fort.
    – Gewiß, antwortete der Ingenieur Serkö, und jene Schüsse bedeuten den Befehl, die Durchfahrten zu schließen.
    – Doch was geht das alles uns an? fragte der Graf d’Artigas ganz ruhig.
    – O, nicht das geringste,« versicherte der Ingenieur Serkö.
    Der Kapitän Spade hatte Recht gehabt mit seiner Ansicht, daß das Verschwinden Thomas Roch’s und seines Wärters dem Personal des Healthful-House zur Stunde bekannt geworden sei.
    Der Arzt, der sich am Morgen zur gewöhnlichen Visite nach dem Pavillon Nr. 17 begab, hatte das Zimmer leer gefunden. Von der Sachlage sofort unterrichtet, hatte der Director genaue Nachsuchungen innerhalb der Einfriedigung anstellen lassen. Diese ergaben, daß die Pforte in der Umfassungsmauer, und zwar des Theiles, der sich längs des Hügelfußes hindehnte, zwar verschlossen, der Schlüssel aber nicht im Schlosse war und daß irgend jemand auch die Riegel zurückgeschoben hatte.
    So unterlag es keinem Zweifel, daß im Laufe des Abends oder der Nacht eine Entführung durch diese Pforte stattgefunden hatte. Wer diese ins Werk gesetzt haben mochte, davon hatte man vorläufig noch keine Ahnung und noch weniger einen Verdacht auf eine bestimmte Person. Man wußte nur, daß gegen halb acht Uhr am Vorabende einer der Anstaltsärzte Thomas Roch unter einem heftigen Anfalle leidend gesehen hatte. Nach Ertheilung der nöthigen Verordnungen ließ er den Kranken in einem Zustande zurück, in dem ihm jedes Bewußtsein seines Thuns fehlte, als er aus dem Pavillon Nr. 17 wegging und ihn der Wärter Gaydon bis ein Stück in die Seitenallee hinein begleitete.
    Was nachher geschehen war, das wußte niemand.
    Die Nachricht von dem Raube wurde telegraphisch nach New-Berne und von da nach Raleigh übermittelt. Durch eine Depesche gab der Gouverneur von Nordcarolina sogleich Befehl, durch den Pamplicosund kein Schiff ohne die sorgfältigste Durchsuchung passieren zu lassen. Eine zweite Depesche ordnete an, daß der Stationskreuzer, der »Falcon«, sich unverzüglich zur Ausführung dieser Maßregel fertig zu machen habe. Gleichzeitig ergingen strenge Vorschriften, die Städte und das offne Land der ganzen Provinz genau zu überwachen.
    Infolge dieser Verordnungen konnte der Graf d’Artigas auch in der Entfernung von zwei Meilen sehen, daß der »Falcon« sich eiligst zum Verlassen seines Ankerplatzes rüstete. Während der Zeit, die er brauchte, um Dampfdruck zu bekommen, hätte die Goelette davonsegeln können, ohne die Befürchtung – wenigstens in der ersten Stunde – verfolgt zu

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