Vor der Flagge des Vaterlands
»Ebba« liefen nicht Gefahr, durch einen sie treffenden Lichtschein verrathen zu werden.
Bei der Verabschiedung von Gaydon blieb der Arzt noch auf der ersten Stufe der Treppe vor der Thür stehen und sagte:
»Das war einer der schlimmsten Anfälle, die unser Kranker je gehabt hat! Noch zwei oder drei solche und er wird das letzte Restchen Verstand auch noch verloren haben!
– Warum verbietet der Director auch nicht jedem Besucher den Zutritt zu dem Pavillon Nummer siebzehn? erwiderte Gaydon. Diesmal verdanken wir einem gewissen Grafen d’Artigas und dem Gegenstande, worüber er mit Thomas Roch gesprochen hat, den Zustand, in dem Sie unsern Kranken getroffen haben.
– Ich werde den Director darauf aufmerksam machen,« versicherte der Arzt.
Er stieg dann vollends die Stufen hinab und Gaydon begleitete ihn bis ein Stück in eine Seitenallee hinein, während die Thür des Pavillons halb offen geblieben war.
Als sich Beide etwa zwanzig Schritte weit entfernt hatten, erhob sich der Kapitän Spade und seine Leute traten wieder an ihn heran.
Jetzt lag es nahe, die Gelegenheit zu benutzen, die sich zufällig darbot, um in das Zimmer des im Halbschlummer liegenden Thomas Roch einzudringen, sich dieses zu bemächtigen und ihn fortzuschleppen, ehe Gaydon wieder zur Stelle war.
Der Wärter mußte aber sehr bald zurückkehren und wenn er das Verschwinden seines Pflegebefohlnen bemerkte, würde er ihn natürlich suchen, würde rufen und Lärm schlagen. Dann kam jedenfalls auch der Arzt zurück und das ganze Personal des Healthsul-House wäre herzugesprungen. Dem Kapitän Spade blieb dann schwerlich Zeit, die Thür in der Mauer zu erreichen und sie hinter sich und seinen Leuten wieder abzuschließen.
Er fand übrigens gar nicht Maße, hierüber nachzudenken. Ein Geräusch von Tritten auf dem Sande verrieth ihm, daß Gaydon schon nach dem Pavillon zurückkehrte. Das Beste schien es nun, sich auf ihn zu stürzen, seine Rufe zu ersticken, ehe er Lärm schlagen konnte, und ihn gänzlich wehrlos zu machen. Zu vier, schlimmsten Falls zu fünf Mann mußte sein Widerstand leicht zu brechen sein. Hiernach konnte der Kapitän Spade unter weit günstigeren Bedingungen die Entführung Thomas Roch’s bewerkstelligen, da der unglückliche Geisteskranke keine Vorstellung von dem haben würde, was mit ihm vorging.
Eben trat Gaydon aus den Bäumen hervor und wendete sich nach der Vortreppe. Als er aber den Fuß auf die erste Stufe setzte, stürzten sich die vier Männer auf ihn los und rissen ihn zu Boden, ehe er noch einen Schrei ausstoßen konnte. Dann schlossen sie ihm den Mund mit einem Tuche, legten ihm eine Binde über die Augen und fesselten seine Arme und Beine, aber so scharf, daß er fast nur noch ein lebloser Körper zu nennen war.
Zwei von den Matrosen blieben an seiner Seite, während Kapitän Spade mit den andern beiden in das Zimmer eindrang.
Wie der Kapitän vorausgesetzt hatte, befand sich Thomas Roch in einem Zustande, bei dem ihn auch ein starkes Geräusch aus seiner Betäubung nicht erwecken konnte. Man hätte ihn, wie er so mit geschlossnen Augen auf dem Sopha lag, für todt halten können, wenn er nicht so keuchend geathmet hätte. Es schien also nicht nöthig, ihn zu fesseln und seinen Mund zu schließen. Es genügte vielmehr, daß ihn zwei Matrosen, der eine am Kopfe, der andre an den Füßen packten und ihn so nach dem Boote trugen, das unter der Obhut des Obersteuermanns der Goelette am Ufer lag.
Das geschah denn auch in kürzester Zeit.
Der Kapitän Spade verließ das Zimmer als der letzte, löschte die Lampe darin aus und verschloß die Thür. So durfte er annehmen, daß die Entführung nicht vor dem nächsten Morgen entdeckt wurde, oder daß das doch mindestens bis zu den ersten Frühstunden dauerte.
In gleicher Weise wie der Kranke wurde auch Gaydon weggeschafft, was nun keine Schwierigkeit machte. Die beiden andern Seeleute hoben ihn auf und trugen ihn durch den Garten hin nach der Thür in der Mauer.
In diesem Theile des gänzlich verlassnen Parks herrschte die tiefste Finsterniß. Man sah von hier aus und den Hügel hinauf nicht einmal den Lichtschein aus den Hauptgebäuden und den andern Pavillons des Healthsul-House.
Vor der Thür angelangt, hatte der Kapitän Spade diese nur aufzuschlagen.
Die beiden Leute, die den Wärter trugen, durchschritten sie zuerst. Dann wurde Thomas Roch auf den Armen der beiden andern hinausgeschafft. Endlich ging auch der Kapitän Spade hinaus und verschloß die
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