Vor der Flagge des Vaterlands
von der Insel Sivan bis zum Ende der Insel Roanoke gegen hundert Kilometer. Nach dem Meere zu ist sie von einer Kette langer und schmaler Inseln, ebenso vieler natürlicher Dämme, abgeschlossen, die in südnördlicher Richtung vom Cap Look-out bis zum Cap Hatteras und von diesem bis zum Cap Henri in der Höhe der Stadt Norfolk verlaufen. Letztere liegt schon im Staate Virginien, dem nördlichen Grenznachbar Nordcarolinas.
Der Pamplicosund wird von vielen, auf den Inseln und Eilanden verstreuten Feuern erleuchtet, um die Schiffahrt darauf auch in der Nacht zu ermöglichen. Daher finden die Schiffe, die einen Schutz vor dem zu starken Wogenschlage des Atlantischen Oceans suchen, hier leicht einen sichern Platz mit gutem Ankergrunde.
Zwischen dem Pamplicosund und dem Oceane öffnen sich mehrere Durchfahrten. In der Nähe des Leuchtthurmes der Insel Sivan trennt der Ocracoke-Inlet die Inselkette, oberhalb desselben der Hatteras-Inlet und noch weiter nördlich die drei übrigen, die die Namen Logger-Head, New-Head und Oregon führen.
Bei der von der Goelette eingehaltnen Richtung kam sie auf den Ocracoke-Inlet zu und man mußte annehmen, daß sie diesen zur Durchfahrt benutzen wollte, wenn sie ihre Segelstellung beibehielt.
Der »Falcon« bewachte freilich gerade diesen Theil des Pamplicosundes und visitierte alle Handelsschiffe und Fischerbarken, die aus demselben nach dem Meere zu segelten.
Gegenüber dem Ocracoke-Inlet angelangt, näherte sich die »Ebba« diesem jedoch weder weiter, noch suchte sie den Dampfschaluppen aus dem Wege zu gehen, die auf dem Pamplicosund umherkreuzten. Es hatte den Anschein, als mache die Lustjacht nur eine Morgenspazierfahrt, und sie setzte ihren Weg gemächlich nach der Hatteras-Durchfahrt zu fort.
Ohne Zweifel leiteten den Grafen d’Artigas nur ihm bekannte Gründe, diesen Inlet (eigentlich Einlaß) zu passieren, denn die um ein Viertel anluvende Goelette schlug jetzt den Weg dahin ein.
Bis zu dieser Minute war die »Ebba« weder von Zollbeamten noch von den Officieren des Kreuzers angesprochen worden, obwohl sie nichts that, sich diesen zu entziehen. Uebrigens wär’ es auch kaum möglich gewesen, von den Beamten unbemerkt wegzukommen.
Daß ihm behördlicherseits ausnahmsweise zugestanden worden wäre, von der Belästigung durch eine Visitation verschont zu bleiben, und daß man den Grafen d’Artigas vielleicht für eine zu hochstehende Persönlichkeit angesehen hätte, um seine Fahrt auch nur für eine einzige Stunde zu unterbrechen… das war gar nicht anzunehmen, denn von ihm als Fremden, der die Lebensweise eines mit Reichthümern gesegneten großen Herrn führte, wußte eigentlich niemand, wer er war, woher er kam oder wohin er ging.
Die Goelette setzte also, graziösen und schnellen Ganges, ihre Fahrt über das ruhige Wasser fort. Ihre Flagge, ein goldner Halbmond in der Ecke eines rothen Flaggentuchs, flatterte weit ausgebreitet in der Luft.
Der Graf d’Artigas saß auf dem Hinterdeck in einem der Rohrlehnstühle, wie sie an Bord von Lustjachten gebräuchlich sind. Der Ingenieur Serkö und der Kapitän Spade plauderten mit ihm.
»Sie beeilen sich gerade nicht, uns ihren Gruß darzubringen, die Herren Officiere von der Bundesmarine, bemerkte der Ingenieur Serkö.
– Mögen Sie kommen, wann es ihnen beliebt, erwiderte der Graf d’Artigas in sehr gleichgiltigem Tone.
– Ohne Zweifel erwarten sie die »Ebba« am Einlaufe zum Hatteras-Inlet, bemerkte der Kapitän Spade.
– Mir soll’s recht sein!« schloß der reiche Jachtbesitzer.
Damit versank er wieder in die phlegmatische Sorglosigkeit, die er gewöhnlich zur Schau trug.
Die Ansicht des Kapitän Spade schien sich zu bestätigen, denn offenbar hielt die »Ebba« auf den genannten Inlet zu. Wenn der »Falcon« noch keine Anstalt traf, sie hier zum Stehen zu bringen, so würde er das jedenfalls thun, wenn sie sich am Eingange der engen Durchfahrt zeigte. Hier war es ganz unmöglich, sich der vorgeschriebnen Durchsuchung zu entziehen, wenn man vom Pamplicosund aus nach dem offnen Meere segeln wollte.
Es hatte auch gar nicht den Anschein, als versuchte die Goelette eine solche zu verhüten. Thomas Roch und Gaydon mußten jedenfalls so sicher versteckt sein, daß die Beamten des Staats sie nicht entdecken konnten.
Diese Annahme war wohl erlaubt; vielleicht hätte der Graf d’Artigas keine so große Zuversicht gezeigt, wenn er gewußt hätte, daß der Kreuzer und die kleinen Zolldampfer auf die »Ebba« ganz
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