Vor der Flagge des Vaterlands
aus Nordwest, und der Kapitän Spade ertheilt dem Obersteuermann Effrondat seine Anordnungen.
Dieser läßt unverzüglich das Gaffelsegel und die Fock-und Klüversegel beisetzen. Auch auf einem Kriegsschiffe wäre dieses Manöver nicht regelrechter und unter bessrer Disciplin ausgeführt worden.
Die »Ebba« neigt sich ein wenig über Steuerbord und ihre Fahrgeschwindigkeit nimmt weiter zu. Der Motor arbeitet indessen weiter, denn die Segel spannen sich nicht so prall, wie es hätte der Fall sein müssen, wenn die Goelette von ihnen allein fortgetrieben worden wäre. Immerhin nützen sie merklich bei der Brise, die jetzt noch mehr aufgefrischt ist.
Der Himmel sieht schön aus; aus West heranziehende Wolken zerstreuen sich, sobald sie höher nach dem Zenith emporsteigen, und das Meer erglänzt vom Widerschein der Sonnenstrahlen.
Mich verlangt es nun, so genau wie möglich den Curs zu verfolgen, den wir einhalten. Ich bin genug auf dem Meere gefahren, um die Schnelligkeit eines Schiffes abschätzen zu können, und meiner Ansicht nach liegt die der »Ebba« jetzt zwischen elf bis zwölf Seemeilen. Die Richtung bleibt immer die nämliche, davon kann ich mich leicht überzeugen, indem ich näher an das Compaßhäuschen vor dem Manne am Steuer herantrete. Wenn das Vordertheil der »Ebba« dem Wärter Gaydon versperrt bleibt, so ist das doch mit dem Hintertheil nicht der Fall. Sehr häufig habe ich einen flüchtigen Blick auf die Scheibe der Boussole werfen können, die unabänderlich nach Osten oder genauer nach Ost-südost weist.
Unter solchen Verhältnissen segeln wir also über diesen Theil des Atlantischen Oceans, der nach Westen hin von der Küste der Vereinigten Staaten begrenzt ist.
Ich nehme meine Erinnerungen zusammen. Welches sind die Inseln oder Inselgruppen, die in dieser Richtung vor den Ländern der Alten Welt vorkommen?
Nordcarolina, das die Goelette vor achtundvierzig Stunden verlassen hat, wird vom fünfunddreißigsten Breitengrade durchschnitten und dieser Breitengrad muß in seiner Fortsetzung nach Osten wenn ich nicht ganz irre, die afrikanische Küste, etwa in der Höhe von Marokko treffen. In dieser Linie liegt aber die Gruppe der Azoren, gegen dreitausend Seemeilen von Amerika entfernt. Wäre es anzunehmen, daß die »Ebba« diesen Archipel anlaufen wollte, daß ihr Heimathafen auf einer der Inseln läge, die ein Besitzthum Portugals sind?… Nein, diese Hypothese ist auszuschließen.
Vor den Azoren befindet sich übrigens, in der Linie des fünfunddreißigsten Breitengrades und in der Entfernung von nur zwölfhundert Seemeilen, die Gruppe der Bermudas. Sie gehören England, und es erscheint mir recht annehmbar, daß der Graf d’Artigas, wenn er im Auftrage einer europäischen Macht gehandelt hat, das in dem des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland that. Freilich bleibt immer noch der Fall übrig, daß er bei der Sache nur sein eignes Interesse im Auge hatte.
Im Laufe dieses Tages nahm der Graf d’Artigas drei-oder viermal auf dem Hintertheile Platz. Von dort aus schien sein Auge scharf verschiedne Punkte des Horizonts abzusuchen. Wenn ein Segel oder eine Rauchsäule auf hohem Meere sichtbar wurde, betrachtete er sie lange mit Hilfe eines großen Marinefernrohrs. Ich füge hier hinzu, daß er sich nicht dazu herabgelassen hat, meine Anwesenheit auf dem Verdeck zu bemerken.
Von Zeit zu Zeit tritt der Kapitän Spade an ihn heran und Beide wechseln dann einige Worte in einer Sprache, die ich nicht verstehen und nicht einmal erkennen kann.
Mit dem Ingenieur Serkö, der bei dem Eigenthümer der »Ebba« einen großen Stein im Brette haben muß, unterhält er sich offenbar am liebsten. Zu welchem Zwecke befindet sich aber dieser Ingenieur, der sprachseliger, weniger mürrisch und nicht so verschlossen ist, wie alle Uebrigen, überhaupt hier auf der Goelette?… Ist es ein besondrer Freund des Grafen d’Artigas?… Schweift er mit ihm über die Meere und theilt er mit ihm das beneidenswerthe Leben eines reichen Jachtbesitzers? In Wahrheit ist dieser Mann der Einzige, der mir, wenn auch nicht gerade Theilnahme, doch einiges Interesse entgegen zu bringen scheint.
Thomas Roch hab’ ich den ganzen Vormittag über nicht zu Gesicht bekommen. Jedenfalls ist er in Folge des Anfalls vom Vorabende, der noch nicht ganz verlaufen sein wird, in seiner Cabine eingeschlossen.
Darüber erhalte ich sogar Gewißheit, als mir gegen drei Uhr nachmittags der Graf d’Artigas, der schon die
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