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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht zu beklagen haben, Herr Serkö, wenn mir nach dem Vergnügen, diese Höhle haben besichtigen zu dürfen, auch die Freiheit gewährt würde, daraus wegzugehen…
    – Wie? Sie denken schon daran, uns zu verlassen, Herr Gaydon? Sie wollen nach Ihrem traurigen Pavillon im Healthful-House zurückkehren?… Sie haben ja unsern prächtigen Wohnsitz noch kaum zu Gesicht bekommen, haben die unvergleichlichen Schönheiten, womit er ausschließlich auf Kosten der Natur ausgestattet ist, noch gar nicht bewundern können…
    – O, was ich davon gesehen habe, das genügte mir, hab’ ich geantwortet, und wenn Sie im Ernste sprechen, könnt’ ich Ihnen doch nur ebenso ernstlich erwidern, daß es mich nicht verlangt, davon noch mehr zu sehen.
    – Oho, Herr Gaydon, erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß Sie die Vorzüge einer Existenz, die sich unter solchen Verhältnissen ohne Gleichen abspielt, noch gar nicht haben schätzen lernen können. Hier führen wir ein ruhiges, sorgenloses Leben, dessen Zukunft gesichert ist, und unter materiellen Bedingungen, die sich nirgends wiederfinden. Wir erfreuen uns eines gleichmäßigen Klimas, und haben von den auf dem Ocean tobenden Stürmen ebensowenig etwas zu fürchten, wie vom Froste des Winters oder der Hitze des Sommers. Der Wechsel der Jahreszeiten macht sich für unsre mäßig warme und heilsame Atmosphäre kaum bemerkbar. Hier kann uns kein Zorn Plutos oder Neptuns erreichen…«
    Diese Einmischung mythologischer Namen scheint mir nicht weniger am unrechten Platze zu sein. Der Ingenieur Serkö treibt sichtlich seinen Spott mit mir. Hat wohl der Krankenwärter Gaydon jemals von Pluto oder Neptun reden hören?
    »Es ist ja möglich, Herr Ingenieur, erwidre ich darauf, daß dieses Klima Ihnen zusagt, daß Sie die Vorzüge besonders schätzen, die diese Höhle von…«
    Beinahe hätte ich den Namen Back-Cup ausgesprochen, hielt mich aber davon noch rechtzeitig zurück. Was wäre wohl geschehen, wenn ich den Verdacht erregte, den Namen des Eilands und folglich auch seine Lage am westlichen Ende der Bermudas zu kennen!
    »Wenn dieses Klima aber mir nicht gefällt, fuhr ich also fort, hab’ ich doch, wie mir scheint, das Recht, es zu wechseln…
    – Das Recht… in der That.
    – Und ich erwarte, daß man mir gestatte, abzureisen, und mir die Mittel gewähre, nach Amerika zurückzukehren.
    – Ich habe keinen vernünftigen Grund, Ihnen zu widersprechen, Herr Gaydon, antwortet der Ingenieur Serkö. Ihr Verlangen ist sogar ganz berechtigt. Bedenken Sie indeß, daß wir hier in edler, stolzer Unabhängigkeit leben, von keiner fremden Macht abhängen, keiner Autorität von außen unterthan und keine Colonisten weder eines Staates der Alten, noch eines der Neuen Welt sind. Das verdient die Beachtung jedes stolzen Geistes, jedes hochschlagenden Herzens!… Und ferner, welche Erinnerungen erwecken in jedem gebildeten Geiste diese Grotten, die von den Händen der Götter ausgehöhlt scheinen, und in denen sie einst ihre Orakelsprüche durch den Mund des Trophonius verkündeten?…«
    Es liegt auf der Hand, daß der Spaßvogel noch immer spöttelt, und ich muß meine ganze Geduld zusammennehmen, um ihm nicht im gleichen Tone zu antworten.
    »Vor wenigen Minuten, sag’ ich darauf ganz kurz, hab’ ich hier in diese Wohnung eintreten wollen, die, wenn ich nicht irre, die des Grafen d’Artigas ist. Ich wurde jedoch daran gehindert…
    – Durch wen, Herr Gaydon?
    – Durch einen Mann aus der Dienerschaft des Grafen.
    – Dann müßte der Mann grade in Bezug auf Sie ganz besondre Vorschriften erhalten haben.
    – Der Graf d’Artigas muß mich aber unbedingt anhören, er mag wollen oder nicht.
    – Ich fürchte leider, daß das schwierig… selbst unmöglich sein wird, bemerkt der Ingenieur Serkö lächelnd.
    – Und warum?…
    – Weil der Graf d’Artigas gar nicht mehr hier ist.
    – Sie scherzen wohl, Herr Serkö. Ich hab’ ihn doch eben gesehen!
    – Das war nicht der Graf d’Artigas, den Sie gesehen haben, Herr Gaydon.
    – Wer denn sonst, wenn ich bitten darf?
    – Das war der Seeräuber Ker Karraje.«
    Dieser Name wurde mit harter Stimme hervorgestoßen, und damit wandte sich der Ingenieur Serkö ab, ohne daß ich ihn zurückzuhalten suchte.
    Der Seeräuber Ker Karraje!
    Ja… dieser Name klang mir wie eine Offenbarung!… Ich kannte ihn recht gut, und welch schreckliche Erinnerungen rief er wach!… Er allein erklärt mir, was ich für unerklärbar hielt!… Er sagt mir, wer

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