Vor der Flagge des Vaterlands
sie nicht mit Thomas Roch theilen darf, glaub’ ich doch, daß sie sich in der Nähe der seinigen befindet. Will man, daß der Wärter aus dem Healthful-House seines Pflegeramts bei dem Pensionär der Anstalt auch ferner walte, so müssen die beiden Unterkunftsräume einander benachbart sein. Ueber diesen Punkt werd’ ich ja bald aufgeklärt sein.
Der Kapitän Spade und der Ingenieur Serkö wohnen jeder für sich ganz nahe bei dem »Palais d’Artigas«.
Ein Palast?… Ja, warum soll man ihm nicht diesen Namen geben, da diese Wohnstätte mit einem gewissen Aufwand von Kunst hergestellt ist? Geschickte Hände haben den Felsen bearbeitet, so daß er eine monumentale Façade bildet. Ein bereite Thür vermittelt den Zutritt. Das Licht tritt durch mehrere, im Kalkfelsen ausgebrochne Fenster herein, die mit bunten Scheiben ausgestattet sind. Das Innre enthält mehrere Zimmer, einen Speisesaal und einen Salon mit besonders großem Fenster… alles so angeordnet, daß es der Luft leicht Durchgang gewährt. Die Möbel darin sind verschiednen Ursprungs und von allerlei Form; sie tragen französische, englische und amerikanische Fabrikmarken. Offenbar hält ihr Besitzer auf Abwechslung im Stile. Speisekammer und Küche sind in anliegenden Grotten hinter Bee-Hive untergebracht.
Am Nachmittag, als ich mit der festen Absicht ausging, beim Grafen d’Artigas »eine Audienz zu erlangen«, sehe ich ihn, wie er am Ufer der Lagune nach dem Bienenstocke zu geht. Doch, ob er mich nicht gesehen hat oder nur ausweichen wollte, jedenfalls beschleunigte er seinen Schritt, so daß ich ihn nicht einholen konnte.
»Und doch muß er mich empfangen!« sag’ ich mir.
Ich beeile mich also und bleibe vor der Wohnung an der Thür stehen, die sich eben wieder geschlossen hat.
Eine Art großer Teufel von malaiischem Ursprunge und sehr dunkler Hautfarbe erscheint sofort auf der Schwelle und bedeutet mir mit rauher Stimme, mich zu entfernen.
Ich widersetze mich dieser Zumuthung und bleibe, während ich zweimal in gutem Englisch die Worte wiederhole:
»Melden Sie dem Grafen d’Artigas, daß ich von ihm sofort empfangen zu werden wünsche!«
Ja, da hätt’ ich mich ebenso gut an die Felsen von Back-Cup wenden können! Der Wilde versteht offenbar kein Wort Englisch und antwortet mir nur mit einem drohenden Schrei.
Da kommt mir der Gedanke, mit Gewalt einzudringen und so laut zu rufen, daß der Graf d’Artigas mich hören muß. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach hätte das keine andre Folge gehabt als die, den Zorn des Malaien zu reizen, der herkulische Kräfte zu besitzen scheint.
So verschieb’ ich denn die mir zukommende Erklärung bis auf eine andre Gelegenheit, die sich früher oder später bieten wird.
Während ich an der Zellenreihe von Bee-Hive in östlicher Richtung weiter gehe, kommt mir Thomas Roch wieder in den Sinn. Ich wundre mich, ihn im Laufe dieses ersten Tags noch nicht gesehen zu haben. Sollte er vielleicht an einem neuen Anfall leiden?…
Das ist kaum annehmbar, denn der Graf d’Artigas hätte doch – entsprechend seiner früheren Aeußerung darüber – jedenfalls den Wärter Gaydon zu dem Kranken entbieten lassen.
Kaum hab’ ich hundert Schritte gethan, da begegne ich dem Ingenieur Serkö.
Freundlich auftretend und wie immer guter Laune, lächelt der ironische Mann bei meinem Anblick und sucht mich nicht zu vermeiden. Wenn er wüßte, daß ich ein Berufsgenosse von ihm, daß ich Ingenieur bin – wenn er selbst ein solcher ist – würde er mir vielleicht einen bessern Empfang bereiten. Trotzdem werd’ ich mich hüten, ihm meinen Namen und meinen Beruf erfahren zu lassen.
»Behüte Sie der heilige Jonathan!.. (S. 123.)
Mit leuchtendem Auge und spöttischem Munde ist der Ingenieur Serkö stehen geblieben und begleitet den Guten Tag, den er mir bietet, mit eleganter Handbewegung.
Ich antwortete nur sehr kühl, was ihn keineswegs zu bekümmern scheint.
»Behüte Sie der heilige Jonathan, Herr Gaydon! sagt er zu mir mit frischer und klangvoller Stimme. Sie beklagen sich hoffentlich nicht über den glücklichen Zufall, der Ihnen gestattet hat, diese Höhle zu besuchen… die wunderbarste unter allen… ja, die allerschönste… die außerdem auch noch von unserm Sphäroïd am wenigsten bekannt ist!«
Dieses Wort aus der wissenschaftlichen Sprache, hier angewendet im Gespräch mit einem einfachen Wärter, setzt mich, ich gesteh’ es, in Erstaunen und ich begnüge mich zu antworten:
»Ich werde mich
Weitere Kostenlose Bücher