Vor Jahr und Tag
ordentlich. Niemand würde merken, wenn er eine Wohnung durchsucht hatte; alles stand an seinem gewohnten Platz, nichts war weg, nichts aufgeschlitzt. Clancy hatte behauptet, er könne sagen, ob etwas in einem Kissen versteckt sei, ohne es aufschlitzen zu müssen, sondern einfach indem er sich die Nähte sorgfältig ansah.
Ja, Clancy war ein Meister seines Fachs gewesen. Hayes war einmal dabeigewesen, wie er eine Wohnung auf den Kopf stellte. Er klopfte die Wände ab, untersuchte auf Händen und Füßen den Boden, inspizierte Bücher und Lampen und sonstigen Krimskrams. Nichts, aber auch gar nichts im Raum entging seiner Aufmerksamkeit. Und er hatte die von ihnen gesuchte Akte in der unteren Abdeckung eines Polstersessels gefunden. Ein Brett war abgeschraubt, die Akte hineingelegt und das Brett wieder zuge-schraubt worden. Clancy waren die kleinen Kratzer, die der Schraubenzieher hinterlassen hatte, aufgefallen.
Nicht viele Leute besaßen ein derart gutes Auge für Details oder eine solche Geduld. Hayes würde seine Dienste vermissen.
Er schloß die Tür hinter sich, stand dann eine Minute lang da und blickte sich um, um sich erst einmal zu orientieren. Er wollte auch nicht unnötig Spuren hinterlassen, denn die Cops besaßen zweifellos Fotos vom Tatort, und irgendein Schlaumeier mochte erkennen, daß etwas nicht dort war, wo es vorher gewesen war.
Er befand sich im Wohnzimmer. Dort standen ein hübscher kleiner Fernseher und eine kleine Stereoanlage. An der Wand, gleich wenn man hereinkam, stand ein kleines Tischchen, auf dem ein Anrufbeantworter blinkte, daneben ein schnurloses Telefon. Hayes widerstand dem Wunsch, ihre Nachrichten abzuhören, denn wenn später ein Detective herkam und merkte, daß der Anrufbeantworter abgespielt worden war, würde er sich fragen, wer in der Wohnung gewesen sein mochte.
Er zog die mittlere Schublade auf. Darin lagen ein paar Stifte, Notizblöcke, Gummibänder und abgerissene Kinokarten, aber keine Bankauszüge. Ein paar Zeitschriften waren auf das Tischchen geworfen worden. Er hob sie hoch; nichts. Sorgfältig legte er sie wieder genauso hin, wie sie gelegen hatten.
Okay, hier war also nichts. Einige Leute erledigten all ihren Papierkram in der Küche. Hayes ging dorthin, schaute in sämtliche Schubladen, fand jedoch nichts. Dasselbe galt für das kleine Kästchen gleich rechts von der Küchentür, wenn man hineinging.
Dann blieb also nur noch das Schlafzimmer. Wieder fiel ihm auf, wie ordentlich alles war. Das Bett war gemacht, auch in der Küche war kein Geschirr rumgestanden, nirgends lagen Kleider herum. Teufel noch mal, kein Wunder, daß Clancy gedacht hatte, die Wohnung wäre leer.
In einer Ecke neben dem Fenster standen die Umzugskisten aufeinander. Also war sie doch noch nicht dazugekommen, alles auszupacken, seit sie umgezogen war; das machte sie Hayes gleich ein wenig sympathischer; menschlicher sozusagen. Außerdem war das ein Ort, den er durchsuchen mußte, denn vielleicht hatte er ja Glück, und das Notizbuch befand sich in einer von diesen Kisten, und es blieb ihm erspart, bei dieser Hitze in einem Lagerabteil herumwühlen zu müssen.
»Winterkleidung«, stand auf dem Klebeband auf der obersten Kiste. Hayes hob die Schachtel herunter und öffnete sie. Tatsächlich, Winterkleidung. Er nahm jedes Stück einzeln heraus, wobei er sorgfältig darauf achtete, alles so zusammengefaltet zu lassen, wie es war, und befühlte die Sachen nur, um zu sehen, ob vielleicht etwas dazwischen geschoben worden war. Nichts. Es befanden sich ausnahmslos Wintersachen in der Schachtel.
Auf der zweiten Kiste stand: »Versicherungspolicen, Bücher, Fotos«. Das klang vielversprechend. Die Schachtel war sorgfältig gepackt worden, die schweren Sachen, also die Bücher, unten, dann die Fotos, dann die Versicherungsunterlagen. Sie befanden sich in einem Faltordner, aber als er ihn durchblätterte, fand er nichts als Versicherungspolicen. Die Fotos waren gerahmt, und es waren nicht viele. Hayes untersuchte die Bücher. Romane, Ratgeber, medizinische Bücher, Bücher über den Beruf der Krankenschwester. Nichts war zwischen den Seiten versteckt.
Auf dem Klebeband der dritten Umzugskiste stand: »Christbaumschmuck, Geschenkpapier, Bänder«. Hayes stöhnte. Verflucht, er hatte keine Lust, einen verdammten
Karton mit Weihnachtsschmuck durchzuwühlen, aber er wagte es nicht, ihn ungeöffnet zu lassen, bloß weil in den anderen Kisten genau das war, was draufstand.
In der Schachtel fand er
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