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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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noch ’ne Leiche auf, obwohl’s mir schleierhaft ist, warum man die eine Leiche mitnehmen und die andere liegenlassen sollte, außer natürlich die Mistkerle hatten keine Zeit mehr, sich auch noch den zweiten unter die Arme zu klemmen.«
    »Kerle? Also nicht bloß einer?«
    »Also dieser eine hätte ziemliche Muckis haben müssen, um eine Leiche allein fortschaffen zu können. Du weißt ja, wie das ist. Die sind schwer wie nasse Säcke.«
    »Yep. Und tot noch dazu«, sagte Shannon mit unbewegtem Gesichtsausdruck.
    Marc besaß die Geistesgegenwart, sein Lachen wie ein Husten klingen zu lassen, damit die Fernsehkameras nicht Aufnahmen von einem Cop machten, der gefühllos genug war, am Schauplatz eines Mordes zu lachen. Aber Polizisten mußten lachen, um ertragen zu können, was sie tagtäglich sahen.
    »Vielleicht ist unser Blutspender ja auf seinen eigenen zwei Beinchen wegspaziert«, meinte Shannon. »Es ist ja nicht sehr viel Blut.«
    »Aber auch keine Blutspur, soweit ich das sehen kann, obwohl sie auf dem nassen Pflaster und noch dazu bei der Dunkelheit schwer zu erkennen wäre. Also, was hat er gemacht, sich selbst Erste Hilfe geleistet und zwar so schnell und so sauber, daß kein Tröpfchen auf dem Boden landete?«
    Shannon beantwortete die Frage mit einem Kopfschütteln. Selbst ein kleiner Schnitt in den Finger tropfte gewöhnlich, bevor es einem gelang, den Blutfluß zu stoppen. »Also... du glaubst, da waren zwei oder mehr Typen, und der fehlende Kerl wurde eingeladen und weggekarrt.«
    »Kluges Bürschchen.«
    »Was glaubst du, ging’s um einen Drogendeal, der schieflief, oder haben sich bloß zwei Penner um ’nen Karton gestritten?«
    »Weiß nicht. Es müßten mindestens drei Parteien verwickelt sein, und das kommt mir reichlich seltsam vor. Unser Toter war bewaffnet, hatte aber keine Zeit mehr, sich irgendwie zu wehren, was bedeutet, daß man ihn überrascht haben muß. Es gibt keinen Zeugen, keine Waffe, kein uns bekanntes Motiv.«
    Shannon musterte die Menschenmenge. »Also, was tun wir?«
    »Wir tun als ob.« Es gehörte nun mal zu den harten Tatsachen des Lebens, daß kein Polizeirevier im ganzen Land viel Mühe darauf verschwendete, den Mörder eines Penners aufzuspüren. Marc war extrem pragmatisch: Die finanziellen Mittel der Stadt waren begrenzt, also galt es, Geld und Mühe dort einzusetzen, wo sie am meisten Gutes bewirken, und das war beim Schutz der aufrechten, gesetzestreuen Bürger, die regelmäßig zur Arbeit gingen, ihre Steuern zahlten und die Sportveranstaltungen ihrer Kids besuchten. »Wenn er wirklich mal bei der Army war, wie wir glauben, dann sollte es nicht allzuschwer sein, seine Identität festzustellen.«
    »Yep.« Shannon erhob sich. »Zu schade, daß ihn ausgerechnet Touris finden mußten.«
    Ohne die Touristen wäre das alles ohne viel Aufhebens vonstatten gegangen. Aber wo sie hier in New Orleans ohnehin schon unter Druck standen wegen der hohen Mordrate, gab es gelegentlich sogar Gerüchte, daß eine Leiche still und heimlich über den Fluß in die benachbarte Gemeinde geschafft und dort abgeladen worden wäre, damit der Mord nicht in den Statistiken der Stadt auftauchte. Marc selbst hatte so was nie gemacht und auch keine diesbezüglichen Nachforschungen angestellt, also konnte er nicht sagen, ob es wirklich passierte oder nicht. In New Orleans war alles möglich. Es war ebensogut möglich, daß das Gerücht entstanden war, als jemand ein paar Cops sagen hörte, sie wünschten, sie könnten die eine oder andere Leiche einfach woanders abladen. Aber das Gerücht trug nun mal zum berühmt-berüchtigten Ruf der Stadt bei und hielt sich hartnäckig, ob nun wahr oder unwahr.
    »Das Geschrei legt sich schon wieder«, bemerkte Marc kurz angebunden. »Die Medien werden einen Riesenwirbel in den Morgennachrichten machen, wir stellen fest, daß es sich um einen Obdachlosen handelt, es gibt noch ’ne Erwähnung in den Abendnachrichten, und damit hat sich’s.«
    Shannon zuckte mit den Schultern. Er akzeptierte die Realitäten ebenso wie Marc. Sein Blick überflog die heruntergekommenen Häuser der Umgebung. »Du wohnst im Viertel, stimmt’s?«
    Sie schlenderten zurück zu dem Toten. »Yep. Hab ein Haus in der St. Louis.«
    »Wie schaffst du das bloß, Mann?«
    »Hab’s von meiner Großmutter geerbt.«
    »Ohne Scheiß? Dann stammst du also aus einer von diesen alten kreolischen Familien?«
    »Meine Großmutter war kreolisch. Mein Vater war ’n einfacher Ire aus der

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