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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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schwer«, riet er Shannon leise, während sie sich dem Grüppchen näherten. »Sie können ein paar Streicheleinheiten gebrauchen.«
    Shannon warf Marc einen erstaunten Blick zu; falls es der Senior Detective noch nicht gemerkt hatte, er war ein Schwarzer und die Zeuginnen nicht. Streicheleinheiten? Hatte er den Verstand verloren?
    Aber obwohl Shannon erst seit wenigen Monaten Detective war, hatte er schon so einiges gehört. Chastain war ein Einzelgänger, aber dennoch beliebt bei seinen Revierkollegen. Man sagte, er wäre der Beste, wenn es um Verhöre oder Befragungen ging, denn er war cool und zurückhaltend, wo es nötig war, und konnte selbst die hysterischsten Zeuginnen beruhigen, doch war er gleichzeitig knallhart mit bösen Jungs.
    »Chastain«, hatte ein Detective gesagt, »ist der Typ, der immer ein Messer dabeihat.« Womit, wie Shannon vermutete, nicht das übliche Taschenmesser gemeint war, das fast jeder Mann mit sich führte, sondern eins, dessen einzige Funktion die einer Waffe war.
    O ja. So, wie er Chastain bis jetzt kennengelernt hatte, konnte er sich das sehr gut vorstellen. Ein Mann, der gut mit dem Messer umgehen konnte, war gewöhnlich aalglatt und beherrscht, gerissen und mörderisch.
    Shannon bewunderte außerdem Chastains Stil. Mann, man brauchte ihn doch bloß anzusehen: Unrasiert und ganz offensichtlich gerade aufgestanden, die Augen verquollen, aber er trug tadellos gebügelte Leinenhosen, eine Art weiten Pullover und ein beiges Jackett. Selbst die nackten Füße in den Schuhen sahen wie Absicht aus. Also, so was nannte er Stil.
    Sie erreichten die Gruppe junger Frauen und stellten sich vor. Shannon fiel auf, daß Chastains Stimme dabei leiser und sanfter klang. Die Frauen scharten sich unwillkürlich um ihn, die angstvoll aufgerissenen Augen auf sein Gesicht gerichtet. Selbst die, die die ganze Zeit geheult hatte, versuchte nun, sich zusammenzureißen. Chastain trennte die Gruppe geschickt und ohne viel Aufhebens, dirigierte zwei der Mädchen etwas abseits mit Shannon und blieb selbst bei den anderen beiden. Das eine Mädchen weinte noch immer, aber jetzt viel leiser. Er hörte, wie Chastain ein paar beruhigende Laute ausstieß, nicht mehr als ein tiefes Brummen, ein paar leise Worte. Und bevor Shannon seinen Grips soweit zusammen hatte, seine zwei Zeuginnen nach ihren Namen zu fragen, merkte er, wie sich die Heulsuse die Augen wischte und zittrig und stockend zwar, aber viel ruhiger als zuvor Chastains Fragen beantwortete.
    Es war schon nach fünf, als der Tatort endlich wieder friedlich dalag. Die Zeuginnen wurden von einem Officer zu ihrem Hotel begleitet, die Menge zerstreute sich, und die Fernsehfritzen besaßen genug Futter für die Nachrichten, ohne etwas von den grausigeren Einzelheiten erfahren zu haben. Die Straße lag wieder leer und verlassen da, der nächsten menschlichen Flutwelle harrend. Der Morgen brachte einen ganz anderen Typus von Menschen ins Viertel: Lieferanten, Einkaufsbummler, Touristen, die sich während des Tages sicherer fühlten oder einfach nichts mit dem Nachtleben anfangen konnten.
    Marc fluchte innerlich, als er an all den Papierkram dachte, der ihn nun erwartete. Er wäre jetzt am liebsten nach Hause gegangen und ins Bett gefallen, aber er wußte, daß er sein heutiges Kontingent an Schlaf bereits erhalten hatte. Er rieb sich mit der Hand übers stoppelige Gesicht. Nun, der Papierkram konnte warten, bis er geduscht und sich rasiert hatte.
    »Wieso gehen, wenn ich meinen Wagen hier hab«, sagte Shannon und schloß sich ihm an. »Bist du auf dem Heimweg, oder willst du gleich ins Revier?«
    »Zuerst nach Hause, dann zum Revier. Danke fürs Mitnehmen.« Sie hatten Shannons Wagen erreicht, und Marc glitt auf den Beifahrersitz.
    »Dann warst du also auch mal bei der Army?« erkundigte sich Shannon. »Ich meine, du hast die Tarnung erkannt und so.«
    »Marines. Gleich nach der Highschool. Es war die einzige Möglichkeit, wie ich aufs College konnte.«
    »Yep.« Shannon hatte sich aus demselben Grund zum Wehrdienst gemeldet. Es kam ihm komisch vor, daß sie beide diese Tatsache gemeinsam hatten, ein abgebrühter Schwarzer aus einem Slum und ein gebildeter, wohlerzogener Weißer aus einer alteingesessenen kreolischen Familie.
    Es gab kaum Verkehr, so daß sie die St. Louis in weniger als einer Minute erreichten. Shannon fuhr langsamer. »Jetzt nach links«, sagte Chastain. »Da ist es, gleich rechts, in der Mitte des Blocks. Das blaue Gatter.«
    Shannon parkte

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