Vor Liebe wird gewarnt! (German Edition)
ein.
»Schon mal was von Klopfen gehört?«, fragte ich unwirsch, speicherte den Brief schnell ab und schloss das Programm. Leider konnte ich nicht schnell genug reagieren, so dass er einen Blick auf meine Zeilen erhaschte.
»Erbonkel?«, fragte er. »Verschollener Bruder? Oder an wen schreibt man heutzutage sonst noch Briefe?«
»Das geht Sie nichts an«, knurrte ich. »Was wollen Sie?«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich dieses Mal keine üblen Geheimnisse auskramen werde. Ich habe den Job gewechselt und bin in die Buchhaltung gegangen, weil Torgen krank ist. Sie können mich also jetzt statt Bluthund ›langweiliger Zahlenwurm‹ nennen, wenn Sie wollen.«
Ich verzog den Mund, um mir ein Schmunzeln zu verkneifen. »Danke für die Info, das werde ich tun.«
»Mein Vater war Knacki«, sagte er plötzlich.
»Was? Wie kommen Sie denn jetzt darauf?«, fragte ich perplex und starrte ihn an.
»Die Anschrift eines Gefängnisses ist nicht zu verkennen.« Er deutete auf den Briefumschlag, den ich beschriftet neben dem Computer liegengelassen hatte. »Deshalb erwähne ich es.«
Verdammt. Ich nahm den Umschlag und warf ihn in den Papierkorb. »Sie sollten jetzt zu Ihren Büchern gehen, Zahlen eintragen«, erwiderte ich spitz.
»Ich weiß, das werden Sie nicht gerne hören, weil Sie alles, was von mir stammt, nicht gerne hören, aber manchmal ist es besser, wenn man Geheimnissen nicht die Macht gibt, zu einer Bedrohung zu werden.«
Ich kniff die Augenbrauen zusammen. »Was soll das denn heißen?«
»Wir haben alle unsere dunklen Flecken in der Vergangenheit, aber ich habe gelernt, es ist besser, sie zuzugeben. Sonst fallen sie einem eines Tages auf die Füße.«
»Ich habe keine Geheimnisse.«
»Dann ist ja gut.« Er lächelte. »Ich gehe jetzt.«
»Besser ist es.«
Sobald er draußen war, holte ich den Briefumschlag aus dem Papierkorb, druckte meinen Brief aus und verpackte ihn. Als ich den Computer herunterfahren und Feierabend machen wollte, klingelte mein Telefon. Es war Tim. Doch er klang alles andere als glücklich oder voller Wiedersehensfreude.
»Emma, wir brauchen eure Hilfe.« Seine Stimme zitterte.
»Was ist los?«
»Amandas erster Mann hat sie gefunden. Sie liegt im Krankenhaus.«
KAPITEL 6
Einen Menschen zu lieben heißt, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Antonia und Frederic Jansen, Sendung vom 29.März, 20:15 Uhr
Versteckte Kamera
Der Abend hatte sich über das riesige Anwesen der Jansens gelegt, als Antonia aus dem Haus kam und zur Garage hinüberlief. Mehrere Autos standen darin und funkelten blitzblank und frisch poliert im Schein der Lampen. Sie zögerte einen Moment, als könne sie sich nicht entscheiden, welches Fahrzeug sie nehmen solle, dann stieg sie in einen schwarzen Jaguar und fuhr durch das Tor hinaus auf die Straße.
»Sie kommt raus«, sagte Nikita. Sie saß in einem Wagen mit dunkel getönten Scheiben, der am Straßenrand parkte, und sah in die Kamera, die versuchte, sowohl Nikitas Gesicht als auch die Toreinfahrt der Jansens abzudecken. »Da es uns leider nicht möglich war, eine Kamera im Haus zu verstecken, müssen wir es so handhaben.« Sie knuffte den Fahrer in die Schulter, während der Jaguar an ihnen vorüberfuhr. »Los, folge ihr!«, befahl sie.
Der Fahrer startete den Wagen und fuhr der Frau hinterher. Sie brauste etwas über der vorgeschriebenen Geschwindigkeit die Straße entlang, bog irgendwann ab, dann in eine Seitenstraße ein. Danach fuhr sie auf der Hauptverkehrsstraße hinaus aus der Stadt. Der Abend legte sich über die düstere Landstraße, es wurde immer dunkler, der Verkehr immer spärlicher.
»Wohin sie wohl will?«, fragte Nikita, doch keiner der Verfolger konnte ihr darauf eine zufriedenstellende Antwort geben. Sie spekulierten ein wenig ins Blaue hinein, der Kameramann tippte auf einen Geliebten, der Fahrer auf einen Drogendeal. Aber beides wäre in der Stadt wahrscheinlicher gewesen. Nikita schlug ein verschollenes Familienmitglied vor und dann einen Einkauf in einem Bio-Bauernhof, aber beides wurde von ihren Mitfahrern als unsinnig abgetan.
Sie mussten nicht lange warten, bis sich das Rätsel löste. Als Antonia an einem beschrankten Bahnübergang ankam, parkte sie das Auto mitten auf den Schienen. Dann stieg sie aus.
In der Ferne waren winzige, zwei funkelnde Lichter zu sehen, die beständig größer wurden. Gleich darauf schlossen sich die Schranken. Antonia stand
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