Vor meinen Augen
sah aus, als wäre sie geradewegs einem Modekatalog entsprungen. Sie winkte Rosa-Leigh zu, lächelte mich an und sagte: »Hi, ihr seid ja völlig durchnässt!«, und lief weiter in den hinteren Teil des Hauses.
Vom Flur gingen zwei Türen ab, die in bunt gestrichene Zimmer führten. Eines sah aus wie ein Spielzimmer, überall lagen Spielsachen herum und Bücher. Das andere war ein eleganter Raum mit zwei riesigen Landschaftsgemälden an der Wand und drei kunstvoll im Raum verteilten goldenen Sofas. Auf dem Kaffeetisch war eine Eisenbahn aufgebaut, die Spielzeuglokomotive lag auf der Seite, zweifellos entgleist. Ein schwacher Geruch von Angebranntem hing in der Luft. Rosa-Leighs Stiefmutter kam wieder in den Flur gelaufen, sie hielt einen kleinen Jungen auf dem Arm, den sie hätschelte und zugleich schimpfte. Sie sagte zu uns: »Hallo, entschuldigt bitte. Chaos! Tut mir leid, dass es so verraucht ist. Ich habe die Lasagne anbrennen lassen, die es zum Abendessen geben sollte. Katastrophe! Riecht es immer noch so furchtbar?«
Von oben kam Geschrei.
Rosa-Leighs Stiefmutter rief: »Das reicht, ihr beiden. Ihr weckt noch Klein-Adam auf. Ach, also gut.« Sie rannte die Treppe hinauf und trug dabei den kleinen Jungen auf der Hüfte. »Könntet ihr vielleicht wenigstens fünf Minuten aufhören?«, schrie sie.
Hinter uns kamen jetzt zwei Jungs ins Haus.
Ich sah Rosa-Leigh an. Sie musste die Frage in meinem Blick gesehen haben, denn sie sagte: »Ich habe eine Menge Brüder«, und seufzte nachdrücklich.
Die beiden Jungs waren älter als ich. Einer vielleicht nur ein wenig, vielleicht war er siebzehn oder achtzehn, und einer sah eher so alt wie Emily aus, neunzehn. Sie hatten schwarzes Haar, wie Rosa-Leigh, aber mit dunklen Augen. Der Ältere hatte dieses Funkeln im Blick, als wisse er ETWAS. Er lachte gerade über irgendwas. Der Jüngere war ernster; seine Lippen waren schmaler und er hatte sie jetzt zusammengepresst.
Rosa-Leigh sagte: »Jack und Joshua.«
Ich war nicht sicher, wer welcher war. Sie sagten beide Hallo und schüttelten mir dann die Hand, was mir ziemlich förmlich vorkam. Die Hand des Jüngeren war kalt. Der Ältere – Joshua, glaube ich – hielt meine Hand vielleicht eine Sekunde zu lang, oder vielleicht hielt auch ich seine Hand eine Sekunde zu lang. In meinem Bauch kribbelte es. Dann kam ich mir komisch vor, denn eigentlich mag ich diesen Jungen von Abigails Party, Dan, wirklich gern.
Rosa-Leigh deutete auf den kleinen Jungen auf dem Arm ihrer Stiefmutter. »Andrew. Und oben können wir Aaron, Anthony und Aiden hören.« Sie machte einen Schritt nach vorne und nahm Andrew auf den Arm. »Angela und Dad mögen den Buchstaben A, falls du es noch nicht gemerkt hast. Wenn sie noch mehr Kinder bekommen, werden ihnen die Namen mit A ausgehen.«
Andrew zappelte in ihren Armen, bis sie ihn losließ. Sein Haar stand nach allen Seiten ab, er hatte Sommersprossen im ganzen Gesicht, und seine Wangen waren vor Anstrengung gerötet. Er rannte aus dem Flur, gefolgt von Rosa-Leighs Stiefmutter, die laut lachte.
Die Jungs gingen nach oben. Rosa-Leigh und ich schlenderten in die Küche. Die Wärme des Hauses trocknete mich schnell. Ich fragte: »Wie viele Brüder hast du denn?«
»Sieben. Die meisten sind Halbbrüder. Baby Adam schläft anscheinend wieder.«
Ihre Stiefmutter tauchte wieder auf. Sie schüttelte meine Hand und sagte: »Ich bin Angela. Entschuldige bitte. Es ist ein richtiges Irrenhaus hier.«
Sie machte uns allen eine Tasse Tee, erkundigte sich nach der Schule und erzählte dann eine Geschichte von Klein-Andrew, wie er am Vormittag am Tisch gesessen, einen Keks gegessen und gesagt hatte: »Das ist das Leben.« Sie lachte, als sie das erzählte, dann waren Schreie von oben zu hören. »Wie oft muss ich es euch noch sagen, Jungs?«, rief sie, ließ ihre dampfende Teetasse auf der Theke stehen und verschwand aus der Küche.
»Deine Stiefmutter ist echt nett«, sagte ich. Plötzlich fiel es mir ein: »Ich sollte meiner Mum Bescheid geben, wo ich bin.« Ich schickte Mum eine SMS. Mit ihr reden wollte ich jetzt nicht.
Rosa-Leigh suchte etwas in einem Schrank und rief zu mir herüber: »Ich kann dir Fotos von Kanada zeigen, wenn du möchtest. Ich habe auch welche von meinem Freund.«
»Du hast einen Freund?«
»Nicht mehr. Ich habe Schluss gemacht, als ich hierher gezogen bin.« Sie holte ein paar Fotos aus einer Schublade und legte sie auf den Tisch. Auf einem war sie in den Armen eines großen,
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