Vor meinen Augen
zwei Jahren. Emily machte sich fertig, um sich mit Ian zu treffen. Sie war die letzten beiden Schuljahre mit ihm zusammen. Ich war eifersüchtig auf ihn, weil sie kaum noch was mit mir unternahm. Als sie dann aufs College ging, hat sie sowieso mit ihm Schluss gemacht.
Sie zog das blaue Kleid an, das ihr blondes Haar und ihre dunklen Augen unterstrich. Ich ging in mein Zimmer und kramte in meiner Schublade herum, bis ich meine silberne Halskette mit den Saphiren fand. Ich kam zurück in ihr Zimmer und hielt ihr die Kette hin.
»Was?«, fragte sie.
»Trag die hier. Das wird gut aussehen.«
»Was weißt du schon übers Gutaussehen?«, sagte sie und nahm die Halskette.
»Granny hat sie mir gegeben«, antwortete ich.
Sie hielt die Halskette hoch, legte sie dann um und betrachtete sich nachdenklich im Spiegel. Sie lächelte, und ich dachte, sie stellt sich bestimmt Ians Gesicht vor, wenn er sie später sehen würde.
O Gott, wie ich wünschte, ich könnte wieder mit ihr in diesem Zimmer sein. Ich würde alles dafür geben – nicht, dass ich groß etwas hätte, was ich hergeben könnte. Ich würde sie so fest umarmen, dass sie gar nicht mehr atmen könnte.
Damals sah ich sie an und sagte: »Sie steht dir.«
»Warum hat Granny sie denn nicht mir gegeben?«
»Du warst nicht da«, sagte ich.
Und sie ist auch jetzt nicht da. Sie ist nicht da. Das ist einfach nicht gerecht!
Mittwoch, 15. Februar
Alles ist schiefgegangen.
Die Schule war okay; Rosa-Leigh und ich haben noch zusammen rumgehangen. Sie zeigte mir ein Gedicht, und wir haben darüber geredet. Wir nahmen den Bus nach Hause, und als ich zu Hause ankam, hatte Mum schon etwas zu essen geholt, auch wenn es nur eine Pizza war. Wir haben sogar ein wenig über die Schule und alles Mögliche geredet, obwohl ich ihr nur das sagte, von dem ich meinte, dass sie es hören wollte. Dann fragte sie, mit wem ich gestern Abend am Telefon geredet hätte, weil meine Stimme ganz kitschig geworden sei, und etwa eine halbe Sekunde lang war es fast wie in alten Zeiten, als sie sich für mich interessierte, also erzählte ich ihr, dass sein Name Dan sei und ich am Freitag zu ihm ginge.
Sie sagte: »Aber das kannst du nicht. Wir haben schon lange eine Einladung zum Abendessen von den Haywoods.«
»Das wusste ich nicht.«
»Du kannst unmöglich absagen.«
»Nur dieses eine Mal?«
»Nein, Sophie.«
»Ich bin kein Kind mehr.«
»Fang nicht damit an.«
»Ich fang nicht an. Ich will einfach nicht mitkommen.« Ich schob meinen Teller zur Seite und stand auf.
»Du musst mitkommen.«
»Warum denn?«
»Müssen wir wirklich darüber streiten?«
»Ich komme nicht mit.«
»Du hast keine Wahl.«
Ich wusste, es hatte keinen Sinn. Sie hatte entschieden, dass wir zu den Haywoods gehen, also würden wir auch gehen. Katherine Haywood ist Mums beste Freundin aus der Schulzeit. Die Haywoods sind seit Ewigkeiten Freunde der Familie, und ihre Tochter, Lucy, soll meine Freundin sein, weil wir einander schon von klein auf kennen. Normalerweise würde es mir nichts ausmachen mitzukommen, aber diesen Freitag war es eben anders. Ich stützte mich auf dem Tisch ab, damit meine Hände aufhörten zu zittern. »Bitte, zwing mich nicht mitzukommen. Bitte, Mum«, bat ich.
Sie schloss die Augen. »Wir können so nicht weitermachen.«
»Mum! Mach aus dieser Sache doch nicht etwas, was sie gar nicht ist. Ich will einfach nur nicht zu den blöden Haywoods gehen.«
Mum sagte: »Ich nehme dein Handy und sage alles ab, was immer es sein mag. Alles, was plötzlich so viel wichtiger ist als deine Familie.«
»Welche Familie?«, schrie ich.
»Gib mir dein Handy. Wenn du es nicht selbst tust, dann werde ich dort anrufen.« Sie schrie mich jetzt auch an.
»Du bist doch VERRÜCKT.« Ich nahm mein Handy, ging in mein Zimmer und schlug die Tür zu. Ich sehe nicht ein, weshalb ich dahin muss. Es sind Mums Freunde. Lucy Haywood und ich haben zur Zeit überhaupt nichts mehr miteinander gemein. Es ist immer irgendwie gezwungen, wenn wir zusammen was machen, weil wir früher, als wir noch klein waren, so gut befreundet waren. Ich habe sogar einen meiner Teddybären nach ihr benannt, als ich fünf war. Es ist nicht, dass Lucy mich nicht mag (glaube ich) oder ich sie nicht mag; es ist eher, als wären wir früher im gleichen Märchen gewesen. Dieses Märchen handelte von uns beiden, und all die Ereignisse darin passierten uns beiden. Jetzt sind wir nicht einmal mehr im gleichen Buch: Ihr Buch ist mehr wie eine
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