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Vor meinen Augen

Vor meinen Augen

Titel: Vor meinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Kuipers
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plötzlich das Gefühl, zwischen mir und Abi gäbe es eine riesige Hecke. Keine Mauer – die wäre zu fest und unverrückbar –, aber eine Hecke mit dichten, grünblättrigen Zweigen. Sehen konnte ich meine beste Freundin zwar immer noch durch die Lücken zwischen den Blättern, doch berühren konnte ich sie nicht.
    Dan lächelte mich an, das durchfuhr mich wie ein kleiner Blitz, auch wenn ich es gar nicht wollte, und ich wurde rot. Er ist so sexy und seine Augen sind einfach umwerfend. Mein Gott, ich mag ihn wirklich.
    Wir gingen hinein und holten uns was zu trinken. Es war komisch, denn da waren jede Menge Leute, die ich nicht kannte – früher haben wir immer zusammen herumtelefoniert und nur Leute eingeladen, die wir beide kannten. Und heute fragte ich mich, wer all diese Leute waren.
    Megan stand mitten im Zimmer und redete ziemlich laut. Sie war offensichtlich bereits betrunken. Ich unterhielt mich eine Weile mit Zara, obwohl ich mich daran erinnerte, dass sie bei diesem blöden Spiel geschrieben hatte, ich würde klammern. Ich versuchte, cool zu sein und nicht zu klammern – auch wenn ich bestimmt überhaupt nicht klammere. Dann begann ich mich zu fragen, ob es überhaupt Zara gewesen war, die das geschrieben hatte. Zum Glück klingelte ihr Handy, also musste ich nicht weiter darüber nachdenken.
    Ich ging ein Stück weiter, setzte mich und unterhielt mich eine Weile mit einem Jungen, der neben mir saß und ÜBERHAUPT NICHT süß war. Er tat mir ein wenig leid.
    Inzwischen war es schon ziemlich spät. Draußen war es dunkel, und das Haus war voller Leute. Einen Moment lang stellte ich mir vor, wie immer mehr Leute ins Zimmer kamen, bald nur undeutlich zu sehen waren und in einem verrückten Durcheinander wieder verschwanden. Es ginge so schnell, in einem dunklen, überfüllten Raum zu Tode getrampelt zu werden. Ich stellte mir vor, wie ich auf dem Boden lag, Blut aus mir herauslief und meine Glieder merkwürdig verdreht waren; wie meine Lungen sich mühten, Luft zu holen, nachdem jemand gerade versehentlich auf mich getreten war. Ich holte tief Luft und zwang mich, an etwas anderes zu denken. Ich überlegte, wo Abigails Mum wohl war. Ich habe das Haus noch nie so gesehen wie heute; es kam mir vor wie das Haus von Fremden, nicht wie ein Haus, in dem ich schon so viel Zeit verbracht hatte, ein Haus, das ich so gut kannte, dass ich mich mit verbundenen Augen darin zurechtfinden konnte.
    Ich wollte ins Badezimmer, aber das untere war besetzt. Ich ging nach oben, obwohl Abigail alle Mäntel auf die Treppe gelegt hatte, um die Leute davon abzuhalten, nach oben zu gehen. Der obere Flur war dunkel. Ich schlich auf Zehenspitzen entlang und erinnerte mich daran, wie sich dieses Haus noch letztes Jahr wie mein Zuhause angefühlt hatte. Dann, völlig unvermittelt, legte jemand seine Hand um mein Handgelenk.
    Ich zuckte zusammen.
    Eine Stimme sagte: »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Dan?«, stieß ich hervor. »Was machst du denn hier oben?«
    »Ich wollte einfach nur weg.« Er stand in der Tür zu Abis Zimmer. Seine Finger lagen wie ein Armband um mein Handgelenk.
    »Wo ist Abigail denn?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Komm, unterhalte dich einen Moment mit mir.«
    »Lieber nicht.«
    »Nein, es ist mein Ernst, Sophie. Ich möchte dich besser kennenlernen.«
    »Du und Abigail«, sagte ich und fühlte nichts als die Wärme seiner Hand.
    »Sie ist nicht hier oben, oder?«, fragte er.
    »Ich gehe wieder runter.« Ich sagte es, aber in meinem Bauch flatterten Schmetterlinge.
    Er beugte sich zu mir und ein Lichtschein fiel auf sein Gesicht, so dass ich seine Augen sehen konnte. Sein Aftershave konnte ich auch riechen. »Sei doch nicht so«, bat er.
    »Ich sollte gehen.«
    »Geh nicht.« Er fasste mein Handgelenk fester – wie eine Fessel.
    »Dan«, sagte ich und erkannte meine eigene Stimme kaum.
    Da küsste er mich, und ich war so überrascht … Nein, das ist gelogen. Ich wusste, dass er mich küssen wollte. Ich war gar nicht überrascht. Und mein Mund öffnete sich. Ich dachte, wie leicht sich alles ändern konnte. Wie leicht es war, dass ich mich änderte. Dann drängte ich mich an ihn. Er fuhr mit der Hand durch mein Haar. Meine Haut kribbelte. Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Doch ich schaffte es, mich loszumachen.
    Ich sagte: »Ich kann Abigail das nicht antun.« Ich sah ihn an, und ein Schaudern ging mir durch und durch. »Ich gehe jetzt«, sagte ich.
    »Bleib doch.« Er beugte

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