Vor Vampiren wird gewarnt
etwas anvertraut, und so wollte auch ich ihnen etwas anvertrauen. »Eric hat einige Macht. Aber er hat einen neuen Boss bekommen, und die Lage ist zurzeit etwas heikel.«
»Willst du drüber reden?« Ich wusste natürlich nur zu gut, dass Jason sich selbst nicht sicher war, ob er hören wollte, was immer ich zu erzählen hatte. Aber er bemühte sich sehr, ein guter Bruder zu sein.
»Lieber nicht«, sagte ich und sah seine Erleichterung. Sogar Michele war froh, dass sie sich wieder ihrem Steak zuwenden konnte. »Aber abgesehen von den Schwierigkeiten, die er mit anderen Vampiren hat, läuft es prima zwischen Eric und mir. Es ist ja immer ein Geben und Nehmen in Beziehungen, stimmt's?« Jason hatte über die Jahre zwar jede Menge Beziehungen gehabt, doch von diesem Geben und Nehmen hatte er erst vor Kurzem gehört.
»Ich rede übrigens wieder mit Hoyt«, warf Jason ein, und ich verstand sofort, was das bedeutete. Hoyt war jahrelang so was wie der Schatten meines Bruders gewesen, hatte sich aber eine ganze Weile nicht mehr bei ihm blicken lassen. Hoyts Verlobte Holly, die mit mir im Merlotte's arbeitete, war nämlich nicht gerade Jasons größter Fan. Es überraschte mich, dass mein Bruder sich wieder mit seinem besten Freund vertragen hatte, und es überraschte mich sogar noch mehr, dass Holly dieser Versöhnung zugestimmt hatte.
»Ich hab mich ziemlich verändert, Sookie«, sagte Jason, als hätte er (ausnahmsweise mal) meine Gedanken gelesen. »Ich will Hoyt ein guter Freund sein und Michele ein guter Partner.« Er sah Michele mit ernster Miene an und legte seine Hand auf ihre. »Und ich will ein besserer Bruder sein. Wir beide haben ja bloß noch uns. Mal abgesehen von dieser Elfenverwandtschaft, aber die würde ich am liebsten schnellstens vergessen.« Peinlich berührt sah er auf seinen Teller hinunter. »Ich kann kaum glauben, dass Gran unseren Grandpa betrogen hat.«
»Ich erkläre mir das so«, begann ich. Ich hatte mit derselben Ungläubigkeit zu kämpfen gehabt. »Gran wollte unbedingt Kinder haben, und die hätte sie von Grandpa nicht bekommen können. Vielleicht hat Fintan sie ja verzaubert. Elfen können Gedanken manipulieren, genau wie Vampire. Und du weißt, wie wunderschön sie sind.«
»Claudine auf jeden Fall. Und wenn man 'ne Frau ist, sieht vermutlich auch Claude richtig gut aus.«
»Claudine hatte es sogar noch stark abgeschwächt, weil sie als Mensch durchgehen wollte.« Claudine, Claudes Drillingsschwester, war eine atemberaubende, 1,80 Meter große Schönheit gewesen.
»Grandpa war nicht gerade ein Bild von einem Mann, was das Aussehen angeht«, warf Jason ein.
»Ja, ich weiß.« Wir sahen einander an und gestanden uns schweigend die Macht äußerlicher Attraktivität ein. Dann fragten wir gleichzeitig: »Und Gran?« Und mussten lachen, wir konnten nicht anders. Michele bemühte sich sehr, ein ernstes Gesicht zu machen, doch schließlich konnte auch sie uns nur noch angrinsen. Es war schon schwierig genug, sich vorzustellen, dass die eigenen Eltern Sex hatten. Aber die eigenen Großeltern? Völlig daneben.
»Weil wir gerade von Gran reden. Ich wollte dich fragen, ob ich den Tisch haben kann, den sie auf dem Dachboden aufbewahrt hat«, sagte Jason. »Den kleinen runden, antiken, der früher neben dem Lehnsessel im Wohnzimmer stand?«
»Na klar, komm irgendwann mal vorbei und hol ihn dir«, erwiderte ich. »Er steht wahrscheinlich noch genau dort, wo du ihn abgestellt hast, als Gran dich bat, ihn auf den Dachboden zu schaffen.«
Bald darauf fuhr ich nach Hause, mit meinem fast leeren Topf Stampfkartoffeln, einem übrig gebliebenen Steak und frohen Herzens.
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ein Abendessen mit meinem Bruder und seiner Freundin eine große Sache ist. Doch als ich an diesem Abend zu Hause war, schlief ich die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen, zum ersten Mal seit Wochen.
MÄRZ
Vierte Woche
»Na also«, sagte Sam. Ich musste mich anstrengen, um ihn zu verstehen. Irgendwer hatte in der Jukebox Jace Everetts Song »Bad Things« ausgewählt, und fast jeder in der Bar sang mit. »Jetzt hast du schon dreimal gelächelt heute Abend.«
»Du zählst mit, wie oft ich lächle?« Ich stellte mein Tablett ab und warf ihm einen Blick zu. Sam, mein Boss und guter Freund, ist ein echter Gestaltwandler und kann sich in jedes beliebige warmblütige Tier verwandeln. Wie es mit Eidechsen, Schlangen und Käfern steht, habe ich ihn noch nicht gefragt.
»Na ja, tut gut,
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