Vor Vampiren wird gewarnt
denke daran, wie gut es mir gehen würde, wenn sie tot wären.«
Daran, dass ich Bill von dieser schrecklichen, geheimen Seite erzählen konnte, zeigte sich, wie nahe wir uns einmal gestanden hatten.
»Ich liebe dich«, sagte er. »Und nichts, was immer du auch sagst oder tust, wird das je ändern. Wenn du mich bitten würdest, eine Leiche für dich zu verscharren - oder jemanden aus dem Weg zu räumen -, würde ich es ohne Zögern tun.«
»Zwischen uns stehen einige schlimme Dinge, Bill, aber du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.« Ich krümmte mich innerlich, als ich diese abgedroschene Phrase aus meinem eigenen Mund kommen hörte. Aber manchmal sind Klischees eben wahr; und dies war die Wahrheit. »Ich bin es doch wohl kaum wert, dass man so starke Gefühle für mich hegt.«
Es gelang ihm zu lächeln. »Zu der Frage, ob du es wert bist: Ich glaube nicht, dass Liebe viel mit dem Wert des Gegenstandes der Liebe zu tun hat. Davon abgesehen, würde ich deiner Einschätzung widersprechen. Ich halte dich für eine wunderbare Frau, und ich glaube, du versuchst immer, der beste Mensch zu sein, der du sein kannst. Niemand könnte ... sorglos und heiter sein ... nachdem er dem Tod so nah war wie du.«
Ich stand auf, um zu gehen. Sam hatte gewollt, dass ich Bill besuche, um dessen Situation zu verstehen, und das hatte ich getan. Als auch Bill aufstand und mich zur Tür brachte, bemerkte ich, dass er sich nicht mehr so blitzschnell bewegte wie früher. »Du wirst doch weiterleben, oder?«, fragte ich ihn, plötzlich besorgt.
»Ich glaube schon«, erwiderte er, als machte es ohnehin keinen Unterschied. »Aber gib mir doch einen Kuss für alle Fälle.«
Ich legte ihm einen Arm um den Hals, den Arm, dessen Hand nicht die Taschenlampe hielt, und ließ ihn seine Lippen auf meine drücken. Seine Berührung und sein Geruch riefen eine Menge Erinnerungen in mir wach. Lange, sehr lange, wie mir schien, standen wir aneinandergepresst da, doch statt eine wachsende Erregung zu empfinden, wurde ich immer ruhiger. Mit seltsamer Deutlichkeit nahm ich wahr, wie ich atmete - langsam und gleichmäßig, fast wie jemand, der schlief.
Ich merkte, dass Bill besser aussah, als ich schließlich einen Schritt zurücktrat. Erstaunt hob ich die Augenbrauen.
»Dein Elfenblut hilft mir«, erklärte er.
»Ich bin doch nur zu einem Achtel Elfe. Und du hast gar kein Blut von mir bekommen.«
»Nähe«, erwiderte er kurz angebunden. »Die Berührung von Haut auf Haut.« Seine Lippen umspielte ein Lächeln. »Wenn wir Sex hätten, würde meine Genesung noch viel schneller voranschreiten.«
Blödsinn , dachte ich. Aber ich kann nicht verhehlen, dass diese kühle Stimme etwas aufrührte südlich meines Nabels, ein kurzes Aufwallen von Lust. »Bill, dazu wird es nicht kommen«, sagte ich. »Aber du solltest dieses andere Vampirkind von Lorena finden.«
»Ja«, erwiderte er. »Vielleicht.« Seine dunklen Augen glühten seltsam; aber vielleicht war das auch nur eine Folge der Silbervergiftung oder des Kerzenlichts. Ich wusste, er würde sich nicht bemühen, mit Lorenas anderem Kind Kontakt aufzunehmen. Welchen Funken auch immer mein Besuch in ihm zum Glühen gebracht hatte, er begann bereits wieder zu erlöschen.
Traurig, besorgt, aber auch ein klitzekleines bisschen glücklich - ich lass mir von niemandem erzählen, dass es nicht schmeichelhaft ist, so sehr geliebt zu werden, denn genau das ist es -, machte ich mich über den Friedhof auf den Weg zurück nach Hause. Vorsichtig lief ich über das unebene Gelände und klopfte auf dem Weg aus lauter Gewohnheit auf Bills Grabstein. Währenddessen dachte ich über ihn nach, natürlich, lag ja auch nahe. Er war ein Soldat der Konföderierten gewesen und hatte den Krieg überlebt, nur um dann auf dem Weg nach Hause zu Frau und Kindern einer Vampirin zu erliegen. Das tragische Ende eines harten Lebens.
Wieder freute ich mich über alle Maßen, dass ich Lorena getötet hatte.
Eins gefiel mir allerdings gar nicht an mir selbst: Offensichtlich hatte ich keinerlei schlechtes Gewissen, wenn ich einen Vampir tötete. Irgendetwas in mir beharrte darauf, dass sie ja bereits tot waren und dass es der erste Tod gewesen war, auf den es wirklich ankam. Als ich einen Menschen, den ich hasste, getötet hatte, war meine Reaktion sehr viel intensiver gewesen.
Vielleicht war ich auch nur froh, dachte ich dann, so dem Schmerz zu entkommen, anstatt darüber nachdenken zu müssen, dass ich mich wegen
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