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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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abgereist ist.»
    «Liebe Frau Cunningham. Sie wissen besser als alle anderen – Louis’ und meine Eltern ausgenommen –, daß Louis und ich von Kindesbeinen an Vertraute waren. Louis hat mir nach seiner Abreise geschrieben: «Unsere Freundschaft … ist fast so alt wie mein Leben … Jetzt leben wir weit voneinander entfernt … Aber weder Zeit noch Raum … können einer alten Freundschaft etwas anhaben … Die Erinnerung besteigt … eiserne Schiffe …»
    «Schön wär’s! Eiserne Schiffe!» sagte Frau Cunningham. «Ich bereue, daß ich mich auf die Schnapsidee von Dr.   Clark eingelassen habe. Mit einem Segelschiff! Du meine Güte!»
    «Ich wollte Ihnen nur sagen …»
    «Das brauchen Sie nicht. Sie haben ja sogar Louis’ Worte auswendig gelernt.»
     
    Die «Arend» erreichte die Höhe der Magellan-Straße. Kapitän Koster fuhr aber an der Magellan-Straße vorüber. Es schien ihm sicherer zu sein, durch die südlichere Straße von Le Maire zu fahren. Vielleicht ist es übertrieben zu sagen, daß die «Arend» pfeilschnell durch die Straße schoß. Um nur gewiß um das Kap Hoorn zu kommen, ließ Koster das Schiff sehr weit nach Süden treiben. Unentwegt Sturm, Schnee, harte Kälte, drei Wochen lang. Glücklicherweise war Südsommer, Januar. Aber die Gefahr, auf Eisberge zu stoßen, besteht das ganze Jahr über.
     
    Schließlich stellte Kapitän Koster den Kurs nach Nordosten, und am 10. März war unter 37 Grad südlicher Breite die Küste von Chile zu sehen. Dr.   Clark fragte Behrens, ob Koster die Absicht habe, bei der Isla Mocha vor Anker zu gehen, wie bei der ersten Fahrt der «Arend». Die Insel liegt ungefähr drei Meilen vor der Küste.
    Behrens schüttelte den Kopf. «Koster hat keine guten Erinnerungen an Mocha. Das Ufer ist voller Klippen, die sich bis zu vier Meilen ins Meer erstrecken. Die Gefahr des Schiffbruchs ist groß. Wir mußten bis zum Hals durchs Wasser waten, ehe wir an Land kamen. Zwar konnten wir eine Menge Gänse und Enten schießen. Aber Kapitän Koster will lieber zu den Juan-Fernández-Inseln segeln.»
    «Nicht nach Chile?»
    «Nein. Wir fürchteten, die Spanier könnten uns mit Geschützfeuer fernhalten und uns von Kriegsschiffen angreifen lassen, die die Küste bewachen.»
    «Aber heutzutage …»
    «Koster bevorzugt Juan Fernández.»
    «Was werden die anderen dazu sagen? Die Juan-Fernández-Inseln liegen 270 Meilen von Chile ent …»
    «Fast 400.»
    «Noch schlimmer. In Chile könnten wir frische Lebensmittel und Wasser an Bord nehmen.»
    «Die anderen sind Matrosen und Milizsoldaten …»
    «Und Frau Cunningham? Bob? Baxter? Hammerton?»
    «Erlauben Sie, Dr.   Clark. Die anderen können dazu sagen, was sie wollen. Die Soldaten und Matrosen haben überhaupt nichts zu sagen. Und unsere Freunde …»
    «Auch nicht.»
    «So ist es. Sie selbst wollten die Route von damals.»
     
    Dr.   Clark bat Frau Cunningham, Bob, Hammerton und Baxter in seine Kammer.
    Er sah sich in der Runde um und sagte: «Wie ich von Behrens höre, wird Kapitän Koster Chile rechts liegenlassen.»
    «Das ist unerhört!» rief Frau Cunningham.
    Baxter sagte: «Koster ist der Kapitän.»
    Hammerton hob beide Hände. «Ich hatte gehofft, meine Briefe von einer Schiffsreise endlich auf die Post geben zu können. Sie veralten allmählich.»
    «Geschichte veraltet nicht», erwiderte Bob.
    «Ich hatte etwas ganz anderes gehofft», sagte Frau Cunningham. «In einem richtigen Bett schlafen zu können, wenigstens für eine Nacht. Keine Kakerlaken rascheln zu hören.»
    «Die rascheln in Chile auch», sagte Baxter.
    «Und ich habe es satt, meine Notdurft über einem Eimer zu verrichten», rief Frau Cunningham. «Wenn der Eimer wenigstens regelmäßig geleert würde. Aber diese Matrosen, das faule Pack …»
    «Wir würden mit Chile viel Zeit verlieren», sagte Dr.   Clark. «So gerne ich frisches Wasser getrunken hätte …»
    «Machen Sie’s wie ich», rief Bob. «Trinken Sie Whisky.»
    Frau Cunningham sagte ruhig: «Wenn wir ohne Chile Zeit gewinnen, soll es mir recht sein. Je eher ich von diesem schrecklichen Schiff herunterkomme, desto besser.»
    Bob sagte zu Hammerton: «Ihre Briefe werden historisch.» Hammerton hob noch einmal beide Hände.
    Baxter meinte, zu Bob gewandt: «Solange Whisky an Bord ist, kann es ohne Zwischenstop weitergehen.»
    «Ich danke Ihnen», sagte Dr.   Clark.
    «Sie sind nicht unser Kapitän», sagte Frau Cunningham, «und wir sind keine besänftigten

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