Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
Vom Netzwerk:
getrunken hat er auch.»
    Dr.   Clark sagte leise etwas zu Charles Baxter, verließ die abendliche Tischrunde, ging in seine Kammer und band das Cembalo los. Es war durch den Sturm nicht beschädigt worden. Er schlug ein Notenheft auf und spielte.
    Nach einigen Sekunden verstummte die Tischrunde und hörte zu. Auch nach Dr.   Clarks Spiel schwiegen alle.
    Als erster sprach Kapitän Koster: «Ich habe das noch nie gehört.»
    «Das können Sie noch nicht gehört haben», sagte Baxter. Koster blickte halb gekränkt, halb neugierig zu Baxter. Der sagte: «Beethoven.»
    Zu Hammerton sagte Baxter: «Das Adagio aus der Klaviersonate Nummer 17, ‹The Tempest›.»
    «Respekt!» erwiderte Hammerton.
    «Das hat mir Dr.   Clark verraten, vorhin.»
    Frau Cunningham sagte: «Es ist mir ein Rätsel, wie Dr.   Clark bei diesen erbärmlichen Ölfunzeln Noten lesen kann.»
    «Vielleicht spielt er auswendig», bemerkte Baxter.
    Frau Cunningham fuhr fort: «Ich kann bei diesem sogenannten Licht meine eigene Schrift nicht entziffern.»
    «Vielleicht haben Sie unleserlich geschrieben», sagte Baxter.
    «Es gibt bessere Lampen», sagte Frau Cunningham. «Jedenfalls in Schottland. Sogar auf den Straßen.»
    Bob sagte: «Wie weit sind die Straßenlaternen Edinburghs von Admiral Roggeveen entfernt. Man sollte die Verhältnisse nicht überspannen.»
    Es schien, als lächelte Kapitän Koster erleichtert.
     
    Die «Arend» nahm west-südwestlichen Kurs auf die Kanarischen Inseln. Das Wetter war gut. Die «Arend» kam in Fahrt.
    Die Passagiere standen oft lange an der Reling und beobachteten Scharen fliegender Fische. Manche Fische fielen sogar auf Deck. Frau Cunningham sagte, die fliegenden Fische sähen ekelhaft aus. Behrens bemerkte: «Vielleicht gefällt es Ihnen nicht, daß die Brustflossen wie die Flügel der Fledermaus aussehen. Aber dieser Fisch gleicht dem Hering und schmeckt gut. Die Seeleute nennen ihn den König der Fische.»
     
    Die «Arend» erreichte die nördliche Breite von 28 Grad. Kapitän Koster wähnte, in der Nähe der Kanarischen Inseln zu sein. Land war nicht in Sicht. Aber die Wache aus der Spitze des Mastbaums rief, es sei ein Schiff zu sehen. Das Schiff näherte sich und zeigte die englische Flagge. Es mußte die Flagge der «Arend» erkannt haben, zog die englische ein und segelte weg.
    Nach einer Stunde kam es zurück und zeigte abwechselnd eine rote und eine weiße Flagge.
    Kapitän Koster sagte: «Seeräuber!» Behrens, der sich auf der Brücke aufhielt, nickte nur. Obwohl Behrens selber ein Passagier war, sagte Kapitän Koster zu ihm: «Kümmern Sie sich um die Passagiere, bitte!»
    Koster befahl, die «Arend» auf den Angriff vorzubereiten. Er ließ die Untersegel aufziehen und die Mastsegel halb herunterstreichen. Sämtliche Hängematten samt Bettzeug kamen in die Finkennetze. Die Kanoniere legten Kugeln bereit.
    Behrens bat Dr.   Clark, Bob, Baxter, Hammerton und Frau Cunningham, die sich allesamt auf Deck aufhielten, in ihre Kammern zu gehen. «Es wird einen Kampf geben», sagte Behrens. Frau Cunningham sagte: «Das kann doch nicht wahr sein! Seeräuber! Vor den Kanaren! So etwas gibt es doch heutzutage gar nicht mehr!»
    Bob, der bemerkt hatte, daß Behrens und Dr.   Clark einander ansahen wie Verschwörer, sagte zu Frau Cunningham: «Alles ist jetzt!»
    Frau Cunningham, auf dem Weg in ihre Kammer, meinte zu Baxter: «Louis würde es gefallen.»
    Kapitän Koster manövrierte die «Arend» in eine vorteilhafte Position; er schnitt den Seeräubern den Wind ab, so daß der Pulverdampf über ihr Schiff treiben mußte. Sie wurden gezwungen, den Kampf im Nebel aufzunehmen.
    Die Seeräuber zogen eine schwarze Flagge auf, die ein Stundenglas, einen Totenkopf und gekreuzte Totengebeine zeigte. Die «Arend» feuerte ihre Steuerbordseite ab, und die Schiffswand der Seeräuber wurde schwer getroffen. Aber die Kanonen der Seeräuber trafen auch die «Arend». Der nächste Schlag der «Arend» traf die Takelage der Seeräuber. Nach diesem Treffer hatten die Seeräuber Mühe, ihr Schiff aus der Schußlinie zu manövrieren. Es gelang ihnen, und sie machten sich davon.
    Kapitän Koster sagte: «Sollen sie meinetwegen verschwinden.»
    Auf der «Arend» waren vier Seeleute getötet und neun verwundet worden. Einer der Toten war ein Quartiermeister.
    Frau Cunningham kam an Deck, sah Tote und Verwundete, und sah, daß die Bordplanken auf der Steuerbordseite stark beschädigt waren. Sie schrie Kapitän Koster an:

Weitere Kostenlose Bücher