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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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lieber, alter belgischer Freund hat viel von Ihnen erzählt, müssen Sie wissen. Und dann haben wir natürlich noch Ihre Tochter hier. Sie ist ein reizendes Mädchen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Judith viel von mir erzählt hat«, meinte ich lächelnd.
    »O nein, dafür ist sie viel zu modern. Den Mädchen von heute scheint das Eingeständnis, dass sie Vater und Mutter haben, peinlich zu sein.«
    »Eltern zu haben ist praktisch eine Schande«, sagte ich.
    Er lachte. »Na ja, die Sorgen hab ich nicht. Ich habe leider keine Kinder. Ihre Judith ist ein sehr hübsches Mädchen, aber furchtbar gelehrt. Ich finde das ziemlich beunruhigend.« Er griff wieder zum Hörer. »Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Luttrell, wenn ich Ihre Telefonvermittlung zum Teufel wünsche. Ich bin ein ungeduldiger Mensch.«
    »Das geschieht denen ganz recht«, erwiderte Luttrell.
    Er stieg die Treppe hinauf, und ich folgte ihm. Er führte mich durch den linken Flügel des Hauses zu einer Tür am Ende des Ganges, und ich stellte fest, dass Poirot mir dasselbe Zimmer ausgesucht hatte, das ich früher bewohnt hatte.
    Es war einiges verändert worden. Auf dem Gang standen verschiedene Türen offen, und ich sah, dass die altmodischen großen Schlafräume in mehrere kleine Zimmer aufgeteilt worden waren.
    Mein Zimmer, das nicht sehr groß gewesen war, hatte man bis auf den Einbau eines kleines Bades mit fließendem warmen und kalten Wasser unverändert gelassen. Es war mit billigen modernen Möbeln eingerichtet, ein Umstand, der mich ziemlich enttäuschte. Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Einrichtung mehr dem Baustil des Hauses entsprochen hätte.
    Mein Gepäck stand schon da, und der Colonel erklärte mir, dass Poirots Zimmer genau gegenüberlag. Er wollte mich eben hinüberführen, als von unten aus der Halle eine schrille Stimme »George« rief. Colonel Luttrell fuhr nervös zusammen. Er zupfte sich am Schnurrbart.
    »Ich – ich – werden Sie zurechtkommen? Wenn Sie etwas brauchen, läuten Sie – «
    »George!«
    »Ich komm ja schon, Liebling!«
    Er eilte durch den Korridor davon. Einen Augenblick lang sah ich ihm nach. Dann überquerte ich mit klopfendem Herzen den Gang und pochte an Poirots Tür.

2
     
    N ichts ist meiner Ansicht nach so traurig wie der Verfall, der mit dem Alter einhergeht.
    Mein armer Freund! Ich habe ihn oft beschrieben. Jetzt möchte ich die Veränderung schildern, die mit ihm vorgegangen war. Verkrüppelt von Arthritis, konnte er sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Sein einst rundlicher Körper war abgemagert – ein dünner, kleiner Mann mit runzligem und zerknittertem Gesicht. Zwar glänzten Haare und Schnurrbart noch immer in tiefem Schwarz, doch das war, wie ich fand, ein grober Missgriff; ich hätte dies ihm gegenüber jedoch nie erwähnt, weil ich seine Gefühle nicht verletzen wollte. Es gibt einen Punkt, von dem an es nur allzu deutlich sichtbar wird, wenn Haare gefärbt sind. Früher hatte es mich überrascht zu erfahren, dass Poirots Haare ihr Schwarz einem Fläschchen verdankten. Aber jetzt trat die Künstlichkeit offen zutage, und es entstand der Eindruck, als ob er eine Perücke trage und sich zum Gaudium der Kinder ein Bärtchen angeklebt habe.
    Nur seine Augen waren dieselben geblieben, scharf und funkelnd, und jetzt – ja, es gab keinen Zweifel – blickten sie gerührt.
    »Ah, mon ami Hastings – mon ami Hastings…«
    Ich neigte mich zu ihm hinunter, und er umarmte mich herzlich, wie es seine Gewohnheit war.
    »Mon ami Hastings!«
    Er lehnte sich zurück und musterte mich mit zur Seite geneigtem Kopf.
    »Ja, immer noch der Gleiche – der gerade Rücken, die breiten Schultern, das graue Haar – très disti n gué. Sie haben sich gut gehalten, mein Freund. Les femmes, interessieren sie sich noch für Sie?«
    »Wirklich, Poirot«, protestierte ich. »Müssen Sie denn – «
    »Aber, mein Freund, ich versichere Ihnen, das ist der Prüfstein – das ist der Prüfstein schlechthin. Wenn die ganz jungen Mädchen zu einem kommen und so freundlich, so überaus freundlich mit einem reden – das ist das Ende! Der arme alte Mann, sagen sie sich, wir müssen nett zu ihm sein. In seinem Zustand muss man sich schrecklich fühlen. Aber Sie, Hastings – vous êtes encore jeune. Sie haben noch Chancen. So ist es richtig, zwirbeln Sie Ihren Schnurrbart, straffen Sie die Schultern – ich sehe, dass ich recht habe, sonst würden Sie nicht so verlegen sein.«
    Ich brach in Lachen aus. »Sie

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