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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht erwähnt haben, ist die Tatsache, dass in keinem dieser Fälle ein echter Zweifel an der Schuld bestand.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Mrs Etherington zum Beispiel wurde zwar freigesprochen, trotzdem war jeder davon überzeugt, dass sie die Tat begangen hatte. Freda Clay wurde zwar nicht öffentlich angeklagt, aber niemand glaubte an ihre Unschuld. Riggs sagte, dass er sich nicht daran erinnern könne, seine Frau und ihren Liebhaber umgebracht zu haben, doch ein anderer Täter kam nie infrage. Margaret Litchfield hat gestanden. In jedem dieser Fälle, Hastings, gab es nur einen einzigen Verdächtigen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ja, das stimmt – aber mir ist nicht klar, welchen Schluss Sie daraus ziehen.«
    »Ah, sehen Sie, jetzt komme ich auf den Punkt zu sprechen, den Sie noch nicht kennen. Angenommen, Hastings, in all den Fällen, die ich aufgezählt habe, gibt es einen gemeinsamen Faktor?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich möchte sehr vorsichtig sein mit dem, was ich sage«, erklärte Poirot zögernd. »Drücken wir es einmal so aus: Es gibt eine bestimmte Person – X. Allem Anschein nach hatte X in keinem der genannten Fälle ein Motiv, das Opfer umzubringen. Soweit ich herausbekommen konnte, war X in einem der Fälle sogar dreihundert Kilometer entfernt, als das Verbrechen geschah. Dennoch möchte ich Ihnen Folgendes sagen: X war mit Etherington befreundet, X wohnte eine Zeit lang in demselben Dorf wie Riggs, X war ein Bekannter von Mrs Bradley. Ich besitze einen Schnappschuss von X und Freda Clay, wie sie eine Straße entlanggehen, und als der alte Matthew Litchfield starb, hielt X sich in der Nähe des Hauses auf. Was sagen Sie dazu?«
    Ich starrte ihn entgeistert an. »Ja, das ist ein bisschen viel«, erwiderte ich langsam. »In zwei oder vielleicht in drei Fällen könnte man noch auf Zufall tippen, aber in fünf – das ist ein bisschen zu viel. Zwischen den unterschiedlichen Mordfällen muss es, so unwahrscheinlich es auch klingt, eine Verbindung geben.«
    »Sie nehmen also das Gleiche an wie ich?«
    »Dass X der Mörder ist? Ja.«
    »Dann werden Sie mir auch noch einen Schritt weiter folgen, Hastings. Ich erkläre Ihnen: X hält sich in diesem Haus auf.«
    »Hier? Auf Styles ?«
    »Auf Styles. Und was ist der logische Schluss daraus?«
    Ich wusste, was kommen würde, als ich sagte: »Los, verraten Sie es schon!«
    »Ein Mord wird in Kürze geschehen«, erklärte Poirot ernst. »Und zwar hier – hier.«

3
     
    I ch sah Poirot einen Augenblick lang entsetzt an, bevor ich zu einer Reaktion fähig war.
    »Nein, dazu wird es nicht kommen«, sagte ich. »Das werden Sie verhindern.«
    Er warf mir einen liebevollen Blick zu. »Mein treuer Freund, ich weiß das Vertrauen zu schätzen, das Sie mir entgegenbringen. Tout de même, ich bin nicht sicher, ob es in diesem Fall gerechtfertigt ist.«
    »Unsinn! Natürlich können Sie es verhindern!«
    »Überlegen Sie einen Augenblick, Hastings«, erwiderte Poirot ernst. »Einen Mörder kann man fassen, das schon. Aber wie verhindert man einen Mord?«
    »Nun, man – man – ich meine – wenn man vorher weiß – « Ich schwieg ratlos, denn plötzlich erkannte ich die Schwierigkeiten.
    »Sehen Sie?«, rief Poirot. »Das ist gar nicht so einfach! Tatsächlich gibt es nur drei Methoden. Die Erste besteht darin, das Opfer zu warnen, damit es auf der Hut ist. Diese Methode ist nicht immer erfolgreich, denn es ist manchmal unglaublich schwierig, Menschen davon zu überzeugen, dass sie in großer Gefahr schweben – besonders, wenn diese Gefahr von einer ihnen nahestehenden Person ausgeht. Sie reagieren mit Entrüstung und Unglauben. Die zweite Methode besteht darin, den Mörder zu warnen. Ihm ziemlich unverhüllt anzudeuten: ›Ich weiß, was du vorhast. Wenn der und der stirbt, mein Freund, wirst du am Galgen hängen.‹ Diese Methode führt zwar öfter zum Erfolg als die Erste, ist aber auch nicht unfehlbar. Denn ein Mörder ist das eitelste Geschöpf auf der Welt. Ein Mörder ist immer klüger als alle anderen – niemand wird ihn oder sie je verdächtigen –, die Polizei wird völlig im Dunkeln tappen und so weiter. Deshalb wird er – oder sie – sich von seinen – ihren – Plänen nicht abbringen lassen, und es bleibt einem nur die Genugtuung, den Täter hinterher hängen zu sehen.« Er schwieg einen Moment und fuhr nachdenklich fort: »Ich habe schon zweimal einen Mörder gewarnt – einmal in Ägypten und einmal woanders. In beiden Fällen war

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