Vorkosigan 09 Waffenbrüder
von jeder Obsession. Wofür
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würdest du dich entscheiden? Wer bist du? Oder bist du nur Reaktion, nie Aktion?«
Mark zuckte sichtlich zusammen, »Laß mich in Ruhe damit!«
Miles zog einen Mundwinkel hoch. Er fuhr mit seinem Stiefel durch den Schlamm am Boden, hielt aber inne, bevor er begann, mit den Stiefelspitzen etwas zu kritzeln. »Wahrscheinlich wirst du das nie wissen, solange ich über dir stehe.«
Mark spuckte den letzten Tropfen seines Hasses aus. »Du bist der Freie!«
»Ich?«, erwiderte Miles überrascht. »Ich werde nie so frei sein, wie du es im Augenblick bist. Dich hatte Galen mit Angst unterjocht. Seine Kontrolle entsprach nur seiner Reichweite, und beide sind zusammen zerbrochen. Ich werde von – anderen Dingen
unterjocht. Ob ich wache oder schlafe, nahe oder fern bin, macht keinen Unterschied. Doch … Barrayar kann ein interessanter Ort sein, wenn man es durch andere Augen als die von Galen sieht. Der eigene Sohn dieses Mannes hat die Möglichkeiten gesehen.«
Mark grinste säuerlich und starrte an die Wand. »Hast du es erneut auf meinen Körper abgesehen?«
»Wofür? Du hast nicht die Körpergröße, auf die meine – unsere
– Gene hingezielt hatten. Und meine Knochen sind sowieso allmählich alle aus Plastik. Da hätte ich keinen Vorteil davon.«
»Dann würde ich in Reserve gehalten. Als Ersatzteillager für Notfälle.«
Miles warf die Hände hoch. »Das glaubst du doch selber nicht.
Aber mein ursprüngliches Angebot gilt immer noch. Komm mit
mir zu den Dendarii, und ich werde dich verstecken. Dich nach Hause schmuggeln. Wo du dir Zeit lassen und herausfinden kannst, wie es ist, der echte Mark zu sein, nicht irgend jemandes Imitation.«
»Ich möchte diesen Leuten nicht begegnen«, stellte Mark kategorisch fest.
Damit meinte er Miles' Mutter und Vater, was Miles ohne
weiteres kapierte, während Ivan offensichtlich den Faden verlor.
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»Ich glaube nicht, daß sie sich unpassend verhalten würden.
Schließlich sind sie schon in dir vorhanden, auf einer fundamentalen Ebene. Du kannst nicht vor dir selbst davonrennen.« Er hielt inne und versuchte es dann erneut. »Wenn du alles könntest, was würdest du dann tun?«
Marks Blick wurde noch finsterer. »Das ganze Klon-Business
auf Jackson's Whole in die Luft sprengen.«
»Hm.« Miles überlegte. »Das ist dort ziemlich tief verwurzelt.
Doch was willst du von den Nachkommen einer Kolonie erwarten, die als Basis von Entführern begonnen hat? Natürlich haben sie sich zu einer Aristokratie entwickelt. Ich werde dir bei Gelegenheit ein paar Geschichten über deine Vorfahren erzählen müssen, die nicht in den offiziellen Geschichtsbüchern enthalten sind …«
Mark hatte also von seiner Verbindung mit Galen etwas Gutes mitbekommen, einen Durst nach Gerechtigkeit, der über seine Person hinausging, auch wenn er sie einschloß. »Wie das mit Lebenszielen so ist, es würde dich sicher beschäftigt halten. Wie würdest du es anfangen?«
»Ich weiß es nicht.« Mark schien verblüfft zu sein, welche
praktische Wendung das Gespräch plötzlich nahm. »Die Labors in die Luft jagen. Die Kinder retten.«
»Gute Taktik, schlechte Strategie. Sie würden einfach alles wieder aufbauen. Du brauchst mehr als eine Ebene für den Angriff.
Wenn du eine Methode herausfändest, das ganze Geschäft unrentabel zu machen, dann würde es von selbst absterben.«
»Wie?«, fragte jetzt Mark seinerseits.
»Überlegen wir mal … Da ist der Kundenstamm. Unmoralische
reiche Leute. Vermutlich kann man kaum erwarten, sie zu überreden, sie sollten den Tod dem Leben vorziehen. Ein medizinischer Durchbruch, der eine andere Form persönlicher Lebensverlängerung anbietet, könnte sie vom Klonen abbringen.«
»Wenn man sie umbringt, dann bringt sie das auch davon ab.«
»Stimmt, ist aber unpraktisch bei der Masse. Leute dieser Gesellschaftsschicht haben im allgemeinen ihre Leibwächter. Früher 331
oder später würde man dich erwischen, und damit wäre alles
vorbei. Schau mal, es muß vierzig Angriffspunkte geben. Klammere dich nicht an den ersten, der dir einfällt. Stell dir zum Beispiel mal vor, daß du mit mir zusammen nach Barrayar gehst. Als Lord Mark Vorkosigan könntest du dir mit der Zeit eine persönliche und finanzielle Machtbasis schaffen. Vervollständige deine Bildung – mach dich wirklich fähig, das Problem strategisch anzugehen, nicht nur dich von der ersten Mauer zu stürzen, auf die du stößt, und dann
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