Vorkosigan 09 Waffenbrüder
Miles kam es vor, als würde er im nächsten Moment am Körper weitermachen –, als von hinten eine verzerrte, megaphonverstärkte Stimme den Korridor herabdröhnte. Miles
konnte die vom Echo zersplitterten Worte nicht ganz verstehen, aber ihr Sinn war klar: »Hier! Halt! Was ist denn da los?«
Einer der Barrayaraner half einem anderen, ihren betäubten
Kameraden über die Schulter zu laden; natürlich war der größte Mann getroffen worden, wie nicht anders zu erwarten, der mit den Armeestiefeln. Sie waren nahe genug am Fischauge dran, daß
Miles sehen konnte, wie die Beine des Trägers leicht zitterten, während er sich aufrichtete und unter seiner Last südwärts lostaumelte. Zwei Mann gingen vor ihm, einer bildete die Nachhut.
Die verlorene kleine Armee war vielleicht vier Schritte gegangen, als weitere zwei Cetagandaner um die Südkurve erschienen. Einer feuerte im Laufen seinen Betäuber über die Schulter 325
nach hinten ab. Seine Aufmerksamkeit war so abgelenkt, daß er nicht sah, wie sein Partner im Betäuberfeuer eines der Barrayaraner zu Boden ging, bis er über den hingestreckten Körper stolperte und hinfiel. Er hielt seinen Betäuber fest, verwandelte seinen Fall in eine kontrollierte Rolle und erwiderte das Feuer. Einer der Barrayaraner ging zu Boden.
Der barrayaranische Hintermann überholte den, der seinen
Kameraden trug, und half seinem vorderen Partner, den rollenden Cetagandaner zu erwischen, dann lief er, eng an der Wand entlang, mit ihm zusammen nach vorn. Unglücklicherweise verließen sie den Bogen der Deckung im gleichen Augenblick, als eine Salve massierten, ungezielten Betäuberfeuers von jenseits der Biegung den Korridor für den Vorstoß der Unbekannten räumte – das
Kampfteam der Polizei, wie Miles aus der Taktik schloß, sowie aus der Tatsache, daß der Cetagandaner in diese Richtung gefeuert hatte. Die Männer trafen auf die Energiewelle, und es gab die vorhersehbaren Ergebnisse.
Der übriggebliebene Barrayaraner stand im Korridor, gebeugt unter der Last seines bewußtlosen Kameraden und fluchte unaufhörlich. Er hatte die Augen geschlossen, als wollte er die ganze überwältigend peinliche Situation ignorieren. Als die Polizisten hinter ihm erschienen, drehte er sich stampfend um und hob die Hände, so gut er konnte, mit den Handflächen nach außen, und ließ seinen Betäuber auf den Boden fallen.
»Ich kann die Vid-Meldung an Kommodore Destang richtig vor
mir sehen«, sagte Ivan. »›Äh … Sir? Wir haben da ein kleines Problem. Kommen Sie und holen Sie mich raus …?‹«
»Vielleicht zieht er es vor zu desertieren«, bemerkte Miles.
Die beiden Polizeikommandos, die sich einander aus entgegengesetzten Richtungen näherten, hätten sich um ein Haar gegenseitig umgelegt, wie ihre flüchtigen Verdächtigen, doch sie konnten sich gerade noch rechtzeitig über ihre wahre Identität verständigen. Miles war fast enttäuscht. Doch es konnte nicht immer so weitergehen, irgendwann wäre der Korridor durch die Haufen dort liegender Körper unpassierbar geworden … Wahr326
scheinlich war es zuviel zu erwarten, daß die Polizei sich samt den neun Attentätern schnell aus dem Fluchtweg zurückzog. Miles stand ein weiteres Warten bevor. Verdammt!
Mit knackenden Gelenken stand Miles auf, streckte sich und
lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand. Es wäre besser, wenn das Warten nicht zulange dauerte. Sobald das Einsatzteam der Polizei Entwarnung gab, würden das Sprengstoffkommando
und die Techniker der Gezeitenbehörde erscheinen und jeden
Zentimeter des Tatortes untersuchen. Die Entdeckung von Miles'
Gruppe war unvermeidlich. Aber nicht lebensgefährlich, solange –
Miles warf einen Blick auf Mark, der zu seinen Füßen hockte –
niemand in Panik geriet.
Miles folgte Marks Blick auf das Scanner-Display, wo die Polizisten gerade die betäubten Körper untersuchten und sich am Kopf kratzten. Der gefangene Barrayaraner war ziemlich mürrisch und nicht sonderlich mitteilsam. Als Agent für verdeckte Operationen war er darauf konditioniert, Folter und auch Schnell-Penta zu widerstehen; mit den ihnen zur Verfügung stehenden Methoden würden die Londoner Konstabler wahrscheinlich wenig aus ihm herausbekommen, und dies wußte er offensichtlich.
Mark schüttelte den Kopf und beobachtete das Chaos im Korridor. »Auf wessen Seite bist du übrigens?«
»Hast du nicht aufgepaßt?«, fragte Miles. »Das Ganze dreht
sich um dich.«
Mark blickte ihn scharf und
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