Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Kämpferin, da gab es keinen Zweifel.
Der Graf lachte leicht. Aber diesmal antwortete er nicht. Zu Marks enormer Erleichterung standen beide auf und verließen zusammen die Bibliothek. Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, rollte er aus seinem Ohrensessel auf den Boden und bewegte seine schmerzenden Arme und Beine bei dem Versuch, seinen Kreislauf wieder zu aktivieren. Er zitterte am ganzen Leib. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und schließlich hustete er, glücklicherweise, immer wieder und wieder, um seine Atemwege freizubekommen. Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Ihm war, als sollte er beides gleichzeitig tun, und schließlich verfiel er auf Niesen und beobachtete, wie sein Bauch sich hob und wieder senkte. Er kam sich fettleibig vor. Er kam sich verrückt vor.
Es kam ihm vor, als wäre seine Haut durchsichtig geworden und als könnten Vorübergehende jedes einzelne Organ in seinem Körper sehen.
Als er nach dem Hustenanfall wieder seinen Atem unter Kontrolle hatte, erkannte er, daß er keine Angst hatte. Auf jeden Fall nicht vor dem Grafen und der Gräfin. Ihre öffentliche Erscheinung und ihr privates Verhalten … stimmten unerwartet überein. Es schien, daß er ihnen vertrauen konnte, nicht so sehr darin, daß sie ihm nicht weh tun würden, sondern in dem, was sie waren, wie sie erschienen. Zuerst fand er kein Wort dafür, für diese Empfindung von persönlicher Einheit. Dann fiel es ihm ein. Aha, so sieht also Integrität aus. Das habe ich nicht gewußt.
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KAPITEL 15
Die Gräfin hielt ihr Versprechen – oder ihre Drohung – und schickte Mark mit Elena auf Besichtigungstouren. Die folgenden paar Wochen waren durchsetzt mit häufigen Ausflügen in alle Stadtteile von Vorbarr Sultana und die benachbarten Distrikte, mit einer Tendenz zu kulturellen und historischen Themen, eingeschlossen ein privater Rundgang durch die kaiserliche Residenz.
Zu Marks Erleichterung war Gregor an jenem Tag nicht zu Hause.
Sie hatten bestimmt jedes Museum in der Stadt besucht. Vermutlich in Ausführung von Anweisungen, die sie bekommen hatte, schleppte Elena ihn durch etwa zwei Dutzend höhere Lehranstalten, Akademien und Fachschulen. Für Mark war es ermutigend zu erfahren, daß nicht alle Institutionen auf diesem Planeten Offiziere ausbildeten; tatsächlich war die größte und am meisten besuchte Hochschule der Hauptstadt das Institut für Landwirtschaft und Technik des Vorbarra-Distrikts.
In Marks Gegenwart gab sich Elena als formelles und unpersönliches Faktotum. Was für Gefühle sie auch haben mochte, wenn sie jetzt zum erstenmal seit zehn Jahren ihre Heimat wiedersah, sie drangen nur selten durch ihre elfenbeinerne Maske, abgesehen von gelegentlichen Ausrufen der Überraschung über eine unerwartete Veränderung: neue Gebäude waren hochgezogen, alte Häuserblocks eingeebnet, Straßen verlegt worden. Mark hegte den Verdacht, sie lege bei den Besichtigungen deshalb ein so hektisches Tempo vor, damit sie nicht wirklich mit ihm reden mußte; statt dessen füllte sie das Schweigen mit Vorträgen. Er begann sich zu wünschen, er hätte sich bei Ivan mehr eingeschmeichelt. Vielleicht hätte sein Cousin sich mit ihm zur Abwechslung einmal zu einem Kneipenbummel davongeschlichen.
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Abwechslung gab es eines Abends, als der Graf überraschend ins Palais Vorkosigan zurückkam und verkündete, daß sie alle nach Vorkosigan Surleau gehen würden. Binnen einer Stunde fand sich Mark mit seinen Sachen in einen Leichtflieger gepackt, zusammen mit Elena, Graf Vorkosigan und dem Leibwächter Pym, und sie flogen in der Dunkelheit nach Süden zur Sommerresidenz der Vorkosigans. Die Gräfin begleitete sie nicht. Außer ein paar gestelzten Bemerkungen gab es unterwegs kein Gespräch, abgesehen von gelegentlichen lakonischen Bemerkungen zwischen dem
Grafen und Pym, die sich auf Halbsätze beschränkten. Endlich ragte die Dendarii-Bergkette vor ihnen auf, eine dunkle Silhouette vor Wolkenschatten und Sternen. Sie umkreisten einen matt schimmernden See und landeten auf halbem Weg zwischen dem See und dem Gipfel eines Hügels vor einem ausgedehnten Steinhaus, das weitere menschliche Diener beleuchtet und zum Willkommen bereitet hatten. Die Sicherheitswachen des Premierministers verließen diskret einen zweiten Leichtflieger, der ihnen gefolgt war.
Da es auf Mitternacht zuging, beschränkte sich der Graf darauf, Mark kurz durch das Innere des Hauses zu führen und ihn in einem Gästezimmer im ersten
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