Vorkosigan 11 Spiegeltanz
schon geschlafen?«, plapperte er hektisch. Er beugte sich vor und schlug den Kopf sanft gegen das harte, kühle Plastik des Pults. Timing. Mein Timing.
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»Himmel, du klingst genau wie Miles, wenn du das sagst«, murmelte der Kaiser. Die Vid-Scheibe trat in Aktion. Gregors Bild erschien, als er ein Licht einschaltete. Er befand sich in einer Art Schlafzimmer, dessen Hintergrund im Halbdunkel lag, und trug nichts als eine weite schwarze seidene Pyjamahose. Er guckte Mark an, als wollte er sich vergewissern, daß er nicht mit einem Geist redete. Aber der Korpus war zu korpulent, als daß es sich um jemand anderen als Mark handeln konnte. Der Kaiser seufzte und blinzelte. »Was brauchst du?«
Wie wundervoll prägnant. Wenn er diese Frage ausführlich beantwortete, dann konnte es die nächsten sechs Stunden dauern.
»Ich muß bei der Suche des Sicherheitsdienstes nach Miles dabeisein. Illyan läßt mich nicht. Sie können ihn umstimmen.«
Gregor blieb eine Minute lang still sitzen, dann stieß er ein kurzes bellendes Lachen aus. Er fuhr sich mit der Hand durch das vom Schlaf zerzauste schwarze Haar. »Hast du ihn gefragt?«
»Ja. Gerade eben. Er hat mich abgewiesen.«
»Hm, nun … es ist sein Job, für mich vorsichtig zu sein. Damit mein Urteil ungebunden bleiben kann.«
»Nach Ihrem ungebundenen Urteil, Sir. Majestät, lassen Sie mich dabeisein!«
Gregor musterte ihn nachdenklich und rieb sich das Gesicht.
»Ja …«, sagte er einen Augenblick später langsam. »Schauen wir mal … was geschieht.« Seine Augen waren nicht mehr vom Schlaf getrübt.
»Können Sie Illyan auf der Stelle anrufen, Majestät?«
»Was ist das jetzt? Nachholbedarf? Bricht der Damm?«
Ich bin ausgegossen wie Wasser… Woher kam dieses Zitat? Es klang irgendwie nach der Gräfin. »Er ist noch auf. Bitte, Majestät.
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Und lassen Sie ihn mich über diese Komkonsole zurückrufen, zur Bestätigung. Ich werde warten.«
»Sehr gut«, Gregor verzog den Mund zu einem eigentümlichen Lächeln, »Lord Mark.«
»Danke, Majestät. Ah … gute Nacht.«
»Guten Morgen.« Gregor trennte die Verbindung.
Mark wartete. Die Sekunden tickten vorbei und dehnten sich endlos aus. Sein Kater begann sich zu melden, aber er war immer noch leicht betrunken. Das Schlimmste von beiden Welten. Er hatte schon zu dösen begonnen, als endlich die Komkonsole summte. Er schreckte hoch und fiel beinah vom Stuhl.
Hastig drückte er die Schalter. »Ja, Sir?«
Illyans düsteres Gesicht erschien über der Vid-Scheibe. »Lord Mark.« Er deutete ein Kopfnicken an. »Wenn du morgen vormittag zum Beginn der normalen Geschäftsstunden in das Hauptquartier des Sicherheitsdienstes kommst, darfst du die Dateien durchschauen, über die wir gesprochen haben.«
»Danke, Sir«, sagte Mark aufrichtig.
»Das ist in zweieinhalb Stunden«, erwähnte Illyan mit einem Anflug von Sadismus, der Mark verständlich erschien. Illyan hatte auch nicht geschlafen.
»Ich werde dasein.«
Illyan vernahm es mit einem Zittern seiner Augenlider und verschwand wieder.
Verdammnis durch gute Werke oder durch Gnade allein? Mark dachte über Gregors Gnade nach. Er hat es gewußt. Er hat es eher gewußt als ich. Lord Mark Vorkosigan war eine reale Person.
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KAPITEL 18
Das ruhige Licht der Morgendämmerung verwandelte den noch verweilenden Nebel der Nacht in Gold, in einen rauchigen herbstlichen Dunst, der der Stadt Vorbarr Sultana ein fast magisches Aussehen verlieh. Das Hauptquartier des Kaiserlichen Sicherheitsdienstes war ein fensterloses kubisches Gebäude, ein großer nützlicher Betonklotz mit riesigen Toren und Türen, die gewiß dazu entworfen worden waren, jeden menschlichen Bittsteller kleiner zu machen, der närrisch genug war, sich ihnen zu nähern. In seinem Fall war dieser Effekt überflüssig, meinte Mark.
»Was für eine schreckliche Architektur«, sagte er zu Pym, der ihn im Bodenwagen des Grafen hergefahren hatte.
»Das häßlichste Gebäude in der Stadt«, stimmte der Gefolgsmann fröhlich zu. »Es geht auf Lord Dono Vorrutyer zurück, den Hofarchitekten von Kaiser Yuri dem Wahnsinnigen, einen Onkel des späteren Vizeadmirals. Es gelang ihm, fünf größere Gebäude zu errichten, bevor der Kaiser getötet wurde, und dann zwang man ihn, aufzuhören. Das Städtische Stadion kommt gleich an zweiter Stelle, aber wir haben es uns nie leisten können, es abzureißen. Wir haben es nach sechzig Jahren immer noch am Hals.«
»Es sieht aus wie ein Bauwerk mit Verliesen im
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