Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Leck bei uns? Das werde ich jetzt herausfinden müssen.«
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»Aber – besser man weiß, daß es eins gibt.«
»O ja.«
»Darf ich Sie jetzt als Gegenleistung um einen Gefallen bitten?«
»Vielleicht.« Illyan blickte äußerst zurückhaltend drein. »Was für eine Art Gefallen?«
»Ich möchte dabeisein.«
»Was?«
»Ich möchte dabeisein. Bei der Suche des Sicherheitsdienstes nach Miles. Ich möchte damit anfangen, daß ich Ihre Berichte durchschaue. Was danach, weiß ich noch nicht. Aber ich ertrage es nicht mehr, allein im Ungewissen gehalten zu werden.«
Illyan betrachtete ihn mißtrauisch. »Nein«, sagte er schließlich.
»Ich lasse Sie nicht auf meine streng geheimen Dateien los. Danke, nein. Gute Nacht, Lord Mark.«
»Warten Sie, Sir! Sie haben sich beklagt, daß Sie nicht genügend Personal haben. Sie können einen Freiwilligen nicht abweisen.«
»Was stellen Sie sich vor, was Sie tun können und der Sicherheitsdienst nicht schon getan hat?«, versetzte Illyan.
»Der Punkt ist, Sir – der Sicherheitsdienst hat es nicht getan. Sie haben Miles nicht gefunden. Ich kann kaum weniger tun.«
Als Illyans Gesicht sich vor Ärger verdüsterte, erkannte Mark, daß er sich nicht so diplomatisch ausgedrückt hatte, wie er hätte sollen. »Gute Nacht, Lord Mark«, wiederholte Illyan mit zusammengebissenen Zähnen und trennte mit einer Handbewegung die Verbindung.
Mark saß erstarrt auf Miles' Stuhl. Das Haus war so still, daß er als lautestes Geräusch sein eigenes Blut in den Ohren hörte.
Er hätte Illyan darauf hinweisen sollen, wie clever er gewesen war, wie schnell er geschaltet hatte; Vorventa hatte offenbart, was 413
er wußte, aber Mark hatte in keiner Weise seinerseits offenbart, daß er wußte, daß Vorventa wußte. Illyans Nachforschungen mußten nun das Leck, wo immer es war, überraschend aufdecken.
Ist das nicht etwas wert? Ich bin nicht so dumm, wie Sie meinen.
Sie sind auch nicht so schlau, wie ich gemeint habe, Illyan. Sie sind nicht … vollkommen. Das war beunruhigend. Er hatte irgendwie erwartet, der Sicherheitsdienst sei vollkommen. Auf diesem Gedanken hatte seine Weltsicht beruht. Und daß Miles vollkommen sei. Und der Graf und die Gräfin. Alle vollkommen, alle nicht umzubringen. Alle aus Gummi bestehend. Und der einzige echte Schmerz sei sein eigener.
Er dachte an Ivan, wie er im Dunkeln weinte. An den Grafen, wie er sterbend in den Wäldern lag.
Die Gräfin hatte ihre Maske besser aufbehalten als sie alle. Sie mußte das tun. Sie hatte mehr zu verbergen. Miles selbst, der Mann, der eine ganze zweite Persönlichkeit geschaffen hatte, einfach um zu entkommen …
Das Problem bestand darin, entschied Mark, daß er versucht hatte, ganz auf sich allein gestellt Miles Vorkosigan zu sein. Nicht einmal Miles spielte Miles auf diese Weise. Er hatte sich ein ganzes Ensemble an Nebendarstellern hinzuoptiert. Ein Ensemble, das aus Tausenden bestand. Kein Wunder, daß ich ihn nie einholen kann.
Langsam und neugierig öffnete Mark seine Jacke und holte Gregors Kommunikatorkarte aus seiner inneren Brusttasche und legte sie auf das Komkonsolenpult. Er starrte beharrlich auf den anonymen Plastikchip, als trüge er eine codierte Botschaft, die nur für seine Augen bestimmt war. Er stellte sich lebhaft vor, daß es so war.
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Sie haben es gewußt. Sie haben es gewußt, nicht wahr, Gregor, Sie Bastard. Sie haben einfach darauf gewartet, daß ich es selbst herausfinde.
In einem Anfall von Entschlossenheit schob Mark die Karte in den Leseschlitz der Komkonsole.
Diesmal keine Maschinen. Ein Mann in gewöhnlicher Zivilkleidung antwortete sofort, allerdings ohne sich zu identifizieren.
»Ja?«
»Ich bin Lord Mark Vorkosigan. Ich müßte auf Ihrer Liste sein.
Ich möchte mit Gregor sprechen.«
»Jetzt um diese Zeit, Mylord?«, sagte der Mann sanft. Seine Hand tanzte über einer Tastatur an der Seite.
»Ja. Jetzt. Bitte.«
»Sie werden durchgestellt.« Das Gesicht des Mannes verschwand.
Die Vid-Scheibe blieb dunkel, aber das Audio übertrug ein melodiöses Glockenspiel. Es klimperte ganz schön lange. In Mark stieg Panik auf. Was war, wenn – doch da hörte es auf. Es gab ein mysteriöses Klirrgeräusch, und Gregors Stimme sagte müde:
»Ja?« Doch noch keine Vid-Übertragung.
»Ich bin's. Mark Vorkosigan. Lord Mark.«
»Ja, und?«
»Sie haben gesagt, ich sollte Sie anrufen.«
»Ja, aber es ist …« – er machte eine kurze Pause –»fünf Uhr früh, Mark!«
»Oh. Haben Sie
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