Vorkosigan 11 Spiegeltanz
schob er tief in die Hosentaschen. Seine Fingerspitzen stießen auf Kareen Koudelkas zerdrückte Blümchen.
Er holte sie heraus und breitete sie auf seiner Handfläche aus.
In einem Anfall von Frustration zerklatschte er die Blüten mit der anderen Hand und warf sie auf den Boden. Weniger als eine Minute später befand er sich auf Händen und Knien auf dem Teppich und kratzte hektisch die zerquetschten Blütenblätter wieder auf.
Ich glaube, ich muß wahnsinnig sein. Er setzte sich im Fersensitz auf den Boden und begann zu weinen.
Anders als beim armen Ivan unterbrach niemand sein Elend, und er war dafür zutiefst dankbar. Er schickte eine telepathische Entschuldigung zu seinem Vorpatril-Cousin: Tut mir leid, tut mir leid … Allerdings war es fraglich, ob Ivan sich überhaupt am Morgen an seine Einmischung erinnern würde. Er schluckte, um seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Der Kopf tat ihm heftig weh.
Zehn Minuten Verzögerung in Bharaputras Komplex auf Jackson's Whole hätten alles verändert. Wenn sie zehn Minuten schneller gewesen wären, dann härten die Dendarii es noch zu ihrem Landeshuttle geschafft, bevor die Bharaputraner eine Chance gehabt hätten, es in die Luft zu jagen, und alles hätte sich in eine völlig andere Zukunft entwickelt. Tausende von
Zehn-Minuten-Intervallen waren in seinem Leben schon vergangen, ungekennzeichnet und ohne Wirkung. Aber jene zehn Minuten hatten ausgereicht, um ihn von einem potentiellen Helden zu 410
dauerndem Abschaum zu machen. Und diesen Augenblick konnte er nie wieder rückgängig machen.
War das dann die Gabe eines Befehlshabers: diese kritischen Minuten zu erkennen, heraus aus der Masse gleicher Momente, sogar mitten im Chaos? Alles zu riskieren, um die goldenen Momente zu erwischen? Miles hatte diese Gabe des Timing in au
ßerordentlichem Maß besessen. Männer und Frauen folgten ihm, legten ihm genau deshalb all ihr Vertrauen zu Füßen.
Nur einmal hatte Miles' Timing versagt …
Nein. Er hatte sich die Lungen aus dem Leib geschrien, damit sie in Bewegung blieben. Miles' Timing war klug gewesen. Seine Füße waren durch die Verzögerungen der anderen auf fatale Weise verlangsamt worden.
Mark rappelte sich vom Boden hoch, wusch sein Gesicht im Bad, kehrte zur Komkonsole zurück und setzte sich auf den Stuhl. Die erste Ebene gesicherter Funktionen wurde über ein Handflächenschloß aktiviert. Der Maschine gefiel sein Handflächenabdruck nicht besonders; Knochenwachstum und subkutane Fettablagerungen begannen das Muster zu verzerren, so daß es bald nicht mehr erkannt werden konnte. Aber nicht ganz, noch nicht ganz.
Beim vierten Versuch war die Maschine zufrieden und eröffnete ihm den Zugang zu den Dateien. Die nächste Ebene von Funktionen erforderte Codes und Zugangsschlüssel, die er nicht kannte, aber die oberste Ebene enthielt alles, was er momentan brauchte: einen privaten, wenn nicht gesicherten Kommunikatorkanal zum Kaiserlichen Sicherheitsdienst.
Die Maschine des Sicherheitsdienstes verband ihn fast sofort mit einem menschlichen Vermittler. »Mein Name ist Lord Mark
Vorkosigan«, sagte er dem Korporal vom Nachtdienst, dessen Gesicht über der Vid-Scheibe erschien. »Ich möchte mit Simon 411
Illyan sprechen. Ich nehme an, er ist noch in der Kaiserlichen Residenz.«
»Handelt es sich um einen Notfall, Mylord?«, fragte der Korporal.
»Für mich schon«, knurrte Mark.
Was immer der Korporal darüber denken mochte, er vermittelte Mark weiter. Mark ging beharrlich seinen Weg, vorbei an zwei weiteren Rangebenen von Untergebenen, bis schließlich das müde Gesicht des Sicherheitschefs erschien.
Mark schluckte. »Oberst Illyan?«
»Ja, Lord Mark, was gibt's?«, sagte Illyan erschöpft. Auch für den Sicherheitsdienst war es eine lange Nacht gewesen.
»Ich hatte heute nacht ein interessantes Gespräch mit einem gewissen Kapitän Vorventa.«
»Ich weiß. Sie haben einige nicht sehr verblümte Drohungen gegen ihn ausgestoßen.«
Und Mark hatte angenommen, dieser Wächter/Diener vom Sicherheitsdienst sei geschickt worden, um ihn zu schützen … ach, schon gut.
»Ich habe eine Frage an Sie, Sir. Steht Kapitän Vorventa auf der Liste der Leute, die über Miles' Bescheid wissen?«
Illyan kniff die Augen zusammen. »Nein.«
»Nun, er weiß Bescheid.«
»Das ist … sehr interessant.«
»Ist es nützlich für Sie, das zu wissen?«
Illyan seufzte. »Es gibt mir ein neues Problem, über das ich mir Gedanken machen muß. Wo ist das
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