Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Beziehungen herstellen, sonst ist er für uns ohne Nutzen.«
»Lilly ist nie ungeduldig«, tadelte Dr. P.
»Diesmal schon«, sagte Dr. C. grimmig.
»Wird die mentale Erholung wirklich folgen?« Sie half ihm, sich hinzulegen, ohne daß er fiel.
»Das meinen alle. Rowan hat uns die körperliche Erholung garantiert. Das war eine enorme Arbeit. In seinem Gehirn gibt es eine Menge elektrischer Aktivität. Irgend etwas muß da heilen.«
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»Ja, aber nicht auf der Stelle«, meldete sich eine warme, heitere Stimme vom Korridor. »Was stellt ihr beide mit meinem armen Patienten an?«
Es war Dr. Durona. Wieder. Sie hatte ihr langes feines Haar zu einem wirren Büschel auf ihrem Hinterkopf zusammengebunden; es war von reiner Ebenholzschwärze. Er spähte besorgt nach ihrem Namensschild, als sie sich lächelnd näherte. Dr. R. Durona. –
Seine Dr. Durona. Er wimmerte erleichtert. Er wußte nicht, ob er noch mehr Verwirrung ertragen konnte; sie schmerzte stärker als die körperliche Pein. Seine Nerven schienen stärker zerrüttet zu sein als sein Körper. Es war, als befände er sich in einem seiner schlimmen Träume, nur daß seine Träume viel häßlicher waren mit all dem Blut und der Metzelei. In ihnen ging es nicht nur um eine Frau in einem grünen Kittel, die zu dritt in einem Zimmer herumstand und mit sich selber diskutierte.
»Krankengymnastik ist nun mal eine Art Folter«, witzelte Dr. C.
Das erklärte alles …
»Komm später wieder und foltere ihn dann«, schlug Dr. R. vor.
»Aber – sanft.«
»Wie hart darf ich rangehen?« Jetzt war sie aufmerksam und ernst, hatte den Kopf gehoben und machte sich Notizen auf einem Reportpanel. »Von oben kommen dringende Anfragen, weißt du.«
»Ich weiß. Krankengymnastik nicht häufiger als alle vier Stunden, bis ich dir grünes Licht gebe. Und laß seine Herzfrequenz nicht über einsvierzig ansteigen.«
»So hoch?«
»Das ist eine unvermeidbare Folge davon, daß es noch nicht groß genug ist.«
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»Du sagst es, meine Liebe.« Dr. C. klappte ihr Reportpanel zusammen und warf es Dr. R. zu, dann ging sie hinaus. Dr. P. folgte ihr.
Seine Dr. Durona, Dr. R., kam an seine Seite, lächelte und strich ihm das Haar aus den Augen. »Sie werden bald einen Haarschnitt brauchen. Und an den kahlen Stellen beginnt neues Wachstum.
Das ist ein sehr gutes Zeichen. Mit all dem, was an der Außenseite Ihres Kopfes geschieht, glaube ich, daß da drinnen auch was geschehen muß, na?«
Nur, wenn man Anfälle von Hysterie als Aktivität zählte … Als er nervös blinzelte, rollte eine Träne aus seinem Auge. Sie war von seinem vorherigen Ausbruch an Angst noch übriggeblieben. Dr. R.
berührte die feuchte Spur auf seiner Wange. »Oh«, murmelte sie in mitfühlender Besorgnis, die er plötzlich als peinlich empfand. Ich bin kein … ich bin kein … ich bin kein Mutant. Was?
Sie beugte sich näher heran. »Wie heißen Sie?«
Er versuchte. »Wwss… S…« Seine Zunge gehorchte ihm nicht.
Er kannte die Wörter, doch er brachte sie einfach nicht heraus.
»Ww… ssen Sie?«
»Wiederholen Sie mich?« Ihr Gesicht erhellte sich. »Das ist ein Anfang…«
»Nn! Ww… ssen Sie?« Er berührte ihre Jackentasche und hoffte dabei, daß sie nicht denken würde, er versuche sie zu betatschen.
»Was …?« Sie blickte auf ihn hinab. »Fragen Sie mich nach meinem Namen?«
»Jj! Jj!«
»Ich heiße Dr. Durona.«
Er stöhnte und rollte mit den Augen.
»… Ich heiße Rowan.«
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Er sank wieder auf sein Kopfpolster und seufzte erleichtert.
Rowan. Ein hübscher Name. Er wollte ihr sagen, daß es ein hübscher Name sei. Aber was war, wenn sie alle Rowan hießen – nein, die sergeantenmäßig Auftretende hatten sie Chrys genannt. Es war schon in Ordnung. Er konnte seine Dr. Durona von den übrigen unterscheiden, wenn nötig. Sie war einzigartig. Seine zitternde Hand berührte ihre Lippen und dann seine eigenen, doch sie verstand den Hinweis nicht und küßte ihn nicht noch einmal.
Widerstrebend und nur deshalb, weil er nicht die Kraft hatte, sie festzuhalten, ließ er zu, daß sie ihre Hand aus der seinen zog.
Vielleicht hatte er diesen Kuß geträumt. Vielleicht träumte er alles, was hier geschah.
Nachdem sie weggegangen war, verging eine lange Zeit der Ungewißheit, doch zur Abwechslung schlief er nicht ein. Er lag wach, überflutet von beunruhigenden, zusammenhanglosen Gedanken.
Der Gedankenstrom trug seltsame Stücke von Treibgut mit sich, hier ein Bild, dort etwas, das
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