Vorkosigan 11 Spiegeltanz
eine Erinnerung sein könnte, doch sobald seine Aufmerksamkeit sich nach innen wandte, um diese Dinge zu untersuchen, erstarrte der Fluß der Gedanken, und die Flut der Panik stieg wieder an. Nun denn, dann würde er sich eben anderweitig beschäftigen und seine Gedanken nur indirekt aus einem Winkel beobachten, er würde sich selbst beobachten in der Spiegelung dessen, was er wußte, und seiner eigenen Identität gegenüber den Detektiv spielen. Wenn du nicht tun kannst, was du willst, dann tu, was du kannst. Und wenn er die Frage, wer er war, nicht beantworten konnte, dann könnte er es wenigstens einmal damit versuchen, wo er war. Seine Monitorsensoren waren verschwunden, er wurde nicht mehr funküberwacht.
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Es war sehr still. Er glitt aus dem Bett und steuerte auf die Tür zu.
Sie öffnete sich automatisch vor dem kurzen Korridor, den Nachtlichter in Bodenhöhe trüb beleuchteten.
Sein eigenes eingeschlossen, gab es hier nur vier Zimmer. Keines hatte Fenster. Keines enthielt Patienten. Ein winziges Büro oder eine Monitorstation war leer – nein. Ein Becher mit einem dampfenden Getränk stand auf der Theke neben einer eingeschalteten Konsole, deren Programm auf Unterbrechung stand. Jemand würde bald wieder zurück sein. Er sauste daran vorbei und versuchte es mit der einzigen Tür nach draußen, am Ende des Korridors; sie öffnete sich automatisch.
Ein weiterer kurzer Korridor. Ihn säumten zwei gut eingerichtete Operationssäle. In beiden waren alle Geräte abgeschaltet, alles war sauber und nachtstill. Und fensterlos. Ein paar Lagerräume, der eine abgeschlossen, der andere nicht. Zwei Labors, deren Türen mit Handflächenschlössern abgesperrt waren. Durch die Glastüren konnte er in einem verschwommen eine Reihe von Kleintierkäfigen sehen. Das Labor war mit medizinischen und biochemischen Geräten vollgestopft; hier stand viel mehr davon, als in einer bloß behandelnden Klinik notwendig wäre. Das Ganze roch ziemlich nach Forschung.
Wie komme ich darauf – nein. Nicht fragen. Einfach weitergehen.
Am Ende des Korridors lud ein Liftrohr ein. Sein Körper
schmerzte, das Atmen tat weh, aber er mußte seine Chance ergreifen. Geh weiter, geh weiter, geh!
Wo immer er sich befand, er war ganz unten. Der Boden des Rohrs befand sich zu seinen Füßen. Es stieg in die Dunkelheit auf.
Leuchtschilder verkündeten: S-3, S-2, S-l. Das Rohr war abgeschaltet, die Sicherheitsklappe schloß die Öffnung ab. Er schob sie manuell zur Seite und erwog seine Möglichkeiten. Er konnte das 465
Rohr einschalten und damit riskieren, daß irgendwo ein Sicherheitsmonitor aufleuchtete (warum konnte er sich ein solches Gerät vorstellen?), oder er konnte das Rohr ausgeschaltet lassen und heimlich die Sicherheitsleiter hochklettern. Er versuchte eine Sproße der Leiter. Ihm wurde schwarz vor den Augen. Vorsichtig ging er wieder hinunter und schaltete das Rohr ein.
Er stieg sanft bis zur Ebene S-l empor und schwang sich hinaus.
Ein winziger Vorraum mit nur einer Tür, massiv und ohne Aufschrift. Sie öffnete sich vor ihm und schloß sich wieder hinter ihm.
Er schaute sich in einem Raum um, der offensichtlich als Rumpelkammer diente, und machte wieder kehrt. Seine Tür war in einer glatten Wand verschwunden.
Es brauchte eine ganze Minute angsterfüllter Versuche, bis er sich davon überzeugt hatte, daß ihm nicht sein stotterndes Gehirn einen Streich spielte. Die Tür war als Wand getarnt. Und er hatte sich gerade selbst ausgesperrt. Wie verrückt klopfte er überall auf die Tür, aber sie ließ ihn nicht wieder hindurch. Seine nackten Füße froren auf dem polierten Betonboden, ihm war schwindlig, und er war schrecklich müde. Er wollte wieder ins Bett. Enttäuschung und Angst waren fast überwältigend, nicht weil sie so groß waren, sondern weil er so schwach war.
Du möchtest es bloß, weil du es nicht haben kannst. Pervers.
Mach weiter, sagte er sich streng. Er suchte sich seinen Weg von Säule zu Säule zur äußeren Tür des Lagerraums. Auch sie war von außen abgesperrt, fand er mühsam heraus, als sie sich hinter ihm schloß. Weiter!
Jetzt befand er sich auf einem weiteren kurzen Korridor, der zu einem gewöhnlichen Liftrohr-Vorraum führte. Auf dieser Ebene, B-2, war angeblich das Ende des Rohrs; Öffnungen mit den Aufschriften B-l, E, 1, 2 usw. reihten sich übereinander bis außer 466
Sichtweite. Er wählte den Nullpunkt, E. Bedeutete E Erdgeschoß?
Ja. Er trat in einen abgedunkelten Raum hinaus.
Es
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