Vorkosigan 11 Spiegeltanz
durchzuführen. Das wurde schon in Lilly Duronas Gründungsabmachung mit dem
Haus Fell festgelegt. Aber Baronin Bharaputra, die jetzt schon mehr als sechzig Standardjahre alt sein muß, hat offensichtlich vor, in Kürze ihre zweite Jugend anzutreten. Wenn man nach dem geht, was wir beobachtet haben.«
»Scheiße«, murmelte Quinn.
»Das ist eine andere Querverbindung«, sagte Mark. »In Wirklichkeit ist es ein ganzes Geflecht von Querverbindungen, sobald man mal den richtigen Faden zu greifen bekommt. Aber es erklärt nicht, zumindest mir nicht, warum die Durona-Gruppe Miles vor ihren eigenen Bossen im Haus Fell verstecken sollte. Doch die Duronas müssen es gemacht haben.«
»Falls sie ihn haben«, sagte Quinn und nagte an ihrer Wange.
»Falls«, pflichtete Mark bei. »Allerdings«, sein Gesicht hellte sich etwas auf, »würde es erklären, warum diese belastende Kryo-Kammer in der Hegen-Nabe landete. Die Durona-Gruppe 505
versuchte nicht, sie vor dem Sicherheitsdienst von Barrayar zu verstecken. Sie versteckten sie vor anderen Jacksoniern.«
»Es paßt fast alles zusammen«, sagte Thorne.
Mark öffnete die Hände und hielt sie Handfläche gegen Handfläche auseinander, als liefen unsichtbare Fäden zwischen ihnen hin und her. »Ja. Fast.« Er legte die Hände zusammen. »Und hier sind wir. Und wir sind unterwegs. Unser erster Trick wird sein, an Fells Sprungpunktstation vorbei wieder in den Lokalraum von Jackson's Whole hineinzukommen. Kapitänin Quinn hat ein beachtliches Instrumentarium mitgebracht, um unsere Identitäten zu frisieren. Koordiniert eure diesbezüglichen Vorstellungen mit ihr.
Wir haben zehn Tage Zeit, um damit zu spielen.«
Die Gruppe löste sich auf. Jeder sollte die neuen Probleme auf seine Weise studieren. Bothari-Jesek und Quinn blieben noch da, als Mark aufstand und seinen schmerzenden Rücken streckte. Und sein schmerzendes Gehirn.
»Das war ein hübsches Stück Analyse, Mark«, sagte Quinn widerwillig. »Wenn nicht alles bloß heiße Luft ist.«
Sie hätte es eigentlich wissen müssen. »Danke, Quinn«, sagte er aufrichtig. Auch er wünschte sich inständig, daß sich nicht alles als Halluzination herausstellen würde, als wohldurchdachter Fehler.
»Ja … er hat sich ein bißchen geändert, glaube ich«, bemerkte Bothari-Jesek. »Er ist gewachsen.«
»So?« Quinns Blick musterte ihn von oben bis unten.
»Stimmt …«
Mark wurde ganz warm ums Herz, als er hungrig einen Krümel Zustimmung erwartete.
»… er ist dicker geworden.«
»Gehen wir an die Arbeit«, knurrte Mark.
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KAPITEL 22
Er erinnerte sich daran, daß er einmal Zungenbrecher geübt hatte.
Er konnte sich sogar eine ganze Bildschirmliste davon vorstellen, schwarze Worte auf blassem Blau. War das für eine Art Rhetorikkurs gewesen? Leider konnte er sich jedoch den Schirm nicht vorstellen, er erinnerte sich nur an eine der tatsächlichen Zeilen. Er rappelte sich im Bett hoch, setzte sich aufrecht hin und versuchte sie. »Blautkleid … blbr … Blautkleid … Mist!« Er holte Luft und begann erneut. Wieder. Wieder. Seine Zunge schien so dick wie ein alter Socken zu sein. Es erschien ihm ungeheuer wichtig, daß er wieder die Herrschaft über seine Sprache gewann. Solange er wie ein Idiot redete, würde man ihn auch wie einen Idioten behandeln.
Es könnte schlimmer sein. Er bekam jetzt echtes Essen, kein Zuckerwasser und keinen weichen Matsch. Er hatte sich jetzt schon zwei ganze Tage alleine geduscht und angezogen. Keine Patientenkleider mehr. Man hatte ihm statt dessen ein Hemd und Hosen gegeben. Wie Schiffskleidung. Ihre graue Farbe gefiel ihm zuerst, dann beunruhigte sie ihn, weil er nicht wußte, warum sie ihm gefiel. »Braut-kleid – bleibt – Braut-kleid – und – Blau-kraut –
bleibt – Blau-kraut. Hurra!« Er legte sich zurück und schnaufte triumphierend. Als er aufblickte, lehnte Dr. Rowan am Türrahmen und beobachtete ihn mit einem leichten Lächeln.
Immer noch den Atem anhaltend, winkte er ihr grüßend mit den Fingern. Sie stieß sich ab und kam herbei, um sich neben ihm auf sein Bett zu setzen. Sie trug ihren üblichen grünen Kittel und hatte einen Sack dabei.
»Raven sagte, Sie hätten die halbe Nacht gebrabbelt«, bemerkte sie, »aber das haben Sie nicht, oder? Sie haben.«
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»Ja«, er nickte. »Muß reden. B'fehl …«, er berührte seine Lippen und winkte vage in den Raum, »folgen.«
»Das meinen Sie, ja?« Sie runzelte amüsiert die Stirn, doch ihre Augen betrachteten ihn
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