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Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Titel: Vorkosigan 11 Spiegeltanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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an seine Knochen, an Hals und Rücken anlegten, schienen nicht sehr viel zu helfen.
    Sie hatten ihn zu diesem buckligen Zwerg gemacht, so als hätten sie ihn mit einer Presse geformt, geprägt nach einem Abdruck seines Erzeugers. Ich hätte normal sein können, wenn Miles Vorkosigan nicht verkrüppelt worden wäre.
    Als er zum erstenmal über den wahren Zweck seiner Mitklons Verdacht schöpfte (denn unter den Kindern zirkulierten wilde Gerüchte, die nicht einmal ihre vorsichtigen Aufseher völlig un65
    terdrücken konnten), da machte ihm seine zunehmende körperliche Deformierung eine geheime, nie geäußerte Freude. Bestimmt konnte man diesen Körper nicht für eine Gehirntransplantation verwenden. Vielleicht würde man ihn aufgeben – vielleicht würde er noch seinen angenehmen, lächelnden Gefängnisaufsehern entrinnen …
    Seine wirkliche Flucht war wie ein Wunder, als seine komarranischen Besitzer kamen, um ihn, damals vierzehnjährig, abzuholen.
    Und dann begann das Training. Der endlose strenge Unterricht, der Drill, die Indoktrination. Am Anfang erschien ihm jedes Schicksal großartig, verglichen mit dem Ende seiner Krippenkameraden. Er unterzog sich entschlossen dem Training, um seinen Erzeuger zu ersetzen und einen Schlag fürs geliebte Komarr zu landen, für einen Planeten, den er nie gesehen hatte, gegen das verhaßte Barrayar, einen Planeten, den er ebenfalls nicht kannte.
    Doch zu lernen, Miles Vorkosigan zu sein, glich, wie sich herausstellte, dem Wettrennen zwischen Achill und der Schildkröte in Zenons Paradoxon. Ganz gleich, wieviel er lernte, wie verzweifelt er übte, wie streng seine Fehler auch bestraft wurden, Miles lernte mehr und schneller. Sobald er an einem Punkt ankam, hatte sich sein Vorbild schon weiterbewegt, intellektuell oder in anderer Weise.
    Der symbolische Wettlauf wurde zu einem wirklichen, als seine komarranischen Tutoren tatsächlich begannen, den Austausch in die Tat umzusetzen. Sie jagten den schwer faßbaren jungen Lord Vorkosigan durch den halben Wurmlochnexus und erkannten
    dabei nicht, daß er, wenn er verschwand, völlig zu existieren aufhörte und daß dann Admiral Naismith auf der Bildfläche erschien. Die Komarraner hatten nie die Wahrheit über Admiral Naismith herausgefunden. Nicht die Planung, sondern der Zufall brachte sie vor zwei Jahren auf der Erde zusammen, genau dort, 66
    wo der ganze törichte Wettlauf begonnen hatte, um einer Rache willen, die seit zwanzig Jahren wartete.
    Die zeitliche Verspätung war auf eine Weise kritisch gewesen, die die Komarraner noch nicht einmal bemerkt hatten. Als sie Vorkosigan zu jagen begannen, hatte ihr speziell zugerichteter Klon sich auf dem Höhepunkt seiner mentalen Konditionierung befunden, den Zielen der Revolte verpflichtet, voller Eifer und ohne kritische Gedanken. Hatten sie ihn nicht vor dem üblichen Schicksal der Klons bewahrt? Doch in den achtzehn Monaten, in denen er beobachtete, wie sie Sachen vermasselten, in diesen achtzehn Monaten voller Reisen, Beobachtungen, Konfrontationen mit nicht zensierten Nachrichten und Ansichten, und sogar Begegnungen mit ein paar Menschen waren ihm insgeheim
    Zweifel gekommen. Und, offen gesagt, man konnte nicht eine galaktische Bildung wie die von Vorkosigan imitieren, ohne unabsichtlich etwas denken zu lernen. Mittendrin kam die Operation, mit der seine vollkommenen gesunden Beinknochen durch synthetische ersetzt wurden, einfach weil Vorkosigan seinen Knochen zertrümmert hatte, und diese Operation war sehr schmerzhaft gewesen. Was war, wenn sich Vorkosigan nächstesmal den Hals brach? Allmählich war ihm ein Licht aufgegangen.
    Sich im Laufe der Zeit stückweise den Kopf mit Lord Vorkosigan vollzustopfen, war durchaus auch eine Gehirntransplantation gewesen, der vergleichbar, die mit Vibraskalpellen und lebendigem Gewebe durchgeführt wurde. Wer auf Rache sinnt, muß zwei Gräber graben. Aber die Komarraner hatten das zweite Grab für ihn gegraben. Für die Person, die zu werden er nie eine Chance gehabt hatte, für den Mann, der er vielleicht gewesen wäre, wenn er nicht unter ständiger Androhung des Schockstabs gezwungen gewesen wäre, sich ständig zu bemühen, jemand anderer zu sein.
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    An manchen Tagen war er sich nicht sicher, wen er am meisten haßte, das Haus Bharaputra, die Komarraner oder Miles Naismith Vorkosigan.
    Er schnaubte, schaltete die Komkonsole ab, erhob sich und nahm seinen kostbaren Datenkubus aus der Uniformtasche, in der er noch versteckt gewesen war.

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