Vorkosigan 11 Spiegeltanz
sagen wir, achtundzwanzig noch im Haus meiner Eltern lebte.«
Und das war wahrscheinlich genug Miles-Neckerei für einen Tag.
Miles würde nachweislich sein Leben für seinen Bruder opfern, aber er hatte eine bemerkenswerte Tendenz, die Leute, die ihn umgaben, sich als Erweiterungen seiner eigenen Persönlichkeit unterzuordnen. Ich bin nicht dein Anhängsel. Ich bin dein Bruder.
Ja. Mark stellte sich vor, sie beide würden das jetzt im Auge behalten. Er sank erschöpft, aber glücklich zusammen.
»Ich glaube«, sagte Miles, der immer noch hübsch betäubt aussah,
»du bist seit fünf Generationen der erste Vorkosigan, der aus einem geschäftlichen Unternehmen Profit macht. Willkommen in der Familie.«
Mark nickte. Sie schwiegen beide eine Zeitlang.
»Das ist nicht die Antwort«, seufzte Mark schließlich. Er zeigte mit einem Kopfnicken auf die Klinik der Durona-Gruppe und implizierte das gesamte Jackson's Whole. »Diese stückweisen Klonrettungsversuche. Selbst wenn ich Vasa Luigi komplett in die Luft jagte, dann würde einfach jemand anderer weitermachen, wo das Haus Bharaputra aufgehört hätte.«
»Ja«, stimmte Miles zu. »Die wahre Antwort muß medizintechnisch sein. Es muß jemand ein besseres, sichereres Verfahren zur Lebensverlängerung finden. Und ich glaube, das wird auch kommen. Eine Menge Leute an einer Menge von Orten müssen daran arbeiten. Die Technik der Gehirntransplantation ist zu ris689
kant, als daß man in ihr konkurrieren könnte. Sie muß eines Tages, vielleicht schon bald, zu Ende gehen.«
»Ich … habe keinerlei Talent in der Richtung Medizintechnik«, sagte Mark. »In der Zwischenzeit geht die Schlächterei weiter.
Irgendwann werde ich mich erneut mit dem Problem befassen müssen. Irgendwie.«
»Aber nicht heute«, sagte Miles mit Nachdruck.
»Nein.« Durch das Fenster sah er ein Personenshuttle auf dem Anwesen der Duronas niedergehen. Doch es war noch nicht das der Dendarii auf dem Rückflug. »Ist das zufällig unser Transport?«
»Ich glaube schon«, sagte Miles, ging zum Fenster und schaute hinab. »Ja.«
Und dann war keine Zeit mehr. Während Miles fort war, um nach dem Shuttle zu schauen und ihn nicht beobachten konnte, ließ Mark ein halbes Dutzend Duronas kommen, die ihm halfen, seinen steifen, gekrümmten und halbgelähmten Körper aus Lillys Sessel zu heben und auf eine Schwebepalette zu legen. Seine verkrümmten Hände zitterten unkontrolliert, bis Lilly die Lippen schürzte und ihm ein weiteres Hypnospray von irgend etwas Wunderbarem verpaßte. Er war vollkommen zufrieden damit, waagrecht hinausgetragen zu werden. Sein gebrochener Fuß war ein gesellschaftlich akzeptabler Grund dafür, daß er nicht gehen konnte. Er sah hübsch invalidenhaft aus mit dem auffällig hochgestützten Fuß, und so würde er die Burschen vom Sicherheitsdienst leichter überreden können, ihn in seine Koje zu tragen, wenn sie oben im Orbit ankämen.
Zum erstenmal in seinem Leben machte er sich auf eine Heimreise.
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KAPITEL 32
Miles betrachtete den alten Spiegel im Vorzimmer der Bibliothek des Palais Vorkosigan. Dieses Stück hatte die Mutter des Generals Graf Piotr als Teil ihrer Mitgift in die Familie gebracht; den Rahmen hatte ein Vasall der Familie Vorrutyer kunstvoll geschnitzt. Miles war allein in dem Raum. Niemand beobachtete ihn.
Er schob sich bis an das Glas heran und starrte mit Unbehagen auf sein Spiegelbild.
Die scharlachrote Jacke der rotblauen kaiserlichen Paradeuniform schmeichelte nicht einmal in den besten Zeiten seinem allzu bleichen Teint. Er bevorzugte die nüchterne Eleganz der grünen Ausgehuniform. Der hohe, mit Gold verzierte Kragen war leider nicht hoch genug, um die doppelten roten Narben auf beiden Seiten seines Halses zu verbergen. Die Schnitte würden eines Tages weiß werden und schließlich verschwinden, aber in der Zwischenzeit zogen sie die Blicke auf sich. Er überlegte, wie er sie erklären sollte. Narben aus einem Duell. Ich habe verloren. Oder vielleicht: Liebesbisse. Das kam der Sache näher. Er fuhr mit der Fingerspitze an den Narben entlang und drehte dabei den Kopf von der einen zur anderen Seite. Anders als bei der schrecklichen Erinnerung an die Nadelgranate erinnerte er sich nicht daran, wie er diese Wunden bekommen hatte. Das war viel beunruhigender als die Vision seines Todes: daß ihm solche wichtigen Dinge geschehen konnten und er sich nicht daran erinnerte, nicht daran erinnern konnte.
Nun, es war ja bekannt, daß er medizinische
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