Vorkosigan 11 Spiegeltanz
monströseste und obszönste Praktik in Bharaputras ganzem Katalog schmutziger Dienstleistungen. Es sei denn, es gibt noch etwas Schlimmeres, von dem ich bisher noch nichts gehört habe.«
»Das ist auch meine Meinung.« Er lehnte sich zurück und
verbarg seine Verblüffung über die sofortige Unterstützung seines Plans. War Thorne ehrlich? Die verborgenen Schrecken hinter dem Klongeschäft auf Jackson's Whole kannte niemand besser und gründlicher als er selbst. Er hatte sie ja durchlebt. Aber er hatte nicht erwartet, daß jemand, der seine Erfahrungen nicht geteilt hatte, sich seinem Urteil anschließen würde.
Genaugenommen war die Spezialität des Hauses Bharaputra
nicht das Klonen. Es war das Unsterblichkeitsgewerbe oder jedenfalls das Gewerbe der Lebensverlängerung. Ein sehr lukratives Gewerbe, denn welchen Preis konnte man für das Leben selbst verlangen?
Jeden, den der Markt hergab. Das Verfahren, das Bharaputra verkaufte, war medizinisch riskant, nicht ideal … eine Wette gegen die Gewißheit des unmittelbar bevorstehenden Todes von Kunden, die wohlhabend und skrupellos waren und, wie er zugeben mußte, ungewöhnlich kühle Weitsicht besaßen.
Das Arrangement war einfach, doch das chirurgische Verfahren, auf dem es beruhte, war höllisch kompliziert. Aus einer Körperzelle des Kunden züchtete man einen Klon, den man zuerst in einem Uterusreplikator bis zur Geburt reifen ließ und dann bis zur körperlichen Reife in Bharaputras Internat großzog, einer Art erstaunlich ausgestatteten Waisenhauses. Die Klons waren schließlich wertvoll, ihre physische Konditionierung und Gesundheit war von höchster Wichtigkeit. Wenn dann die Zeit ge21
kommen war, wurden sie ausgeschlachtet. In einer Operation, deren Gesamterfolgsrate erheblich unter hundert Prozent lag, wurde das Gehirn des Originals aus seinem alten oder beschädigten Körper in den Klon transplantiert, der sich noch in der ersten Blüte der Jugend befand. Das eigene Gehirn des Klons wurde als medizinischer Abfall eingestuft.
Das Verfahren war auf allen Planeten des Wurmlochnexus illegal, ausgenommen auf Jackson's Whole. Das war sehr schön für die kriminellen Häuser, die den Planeten beherrschten, denn es gab ihnen ein hübsches Monopol, ein dauerhaftes Geschäft, bei dem ihre Chirurgenteams angesichts der Ströme wohlhabender Kunden von anderen Planeten jede Menge Praxis hatten und in Höchstform blieben. Soweit er wußte, verhielt sich die restliche Welt gegen
über dieser Praxis nach der Devise ›Aus den Augen, aus dem Sinn‹.
Der Funken von Mitgefühl und rechtschaffenem Zorn in Thornes Augen berührten ihn an einer schmerzlichen Stelle, die vom Gebrauch schon so betäubt war, daß er sich ihrer kaum noch bewußt war, und er erschrak, als er erkannte, daß er nur einen Herzschlag davon entfernt war, in Tränen auszubrechen. Das ist wahrscheinlich ein Trick. Er stieß den Atem aus – auch dies eine Eigenheit von Naismith.
Thorne senkte die Augenbrauen und dachte intensiv nach. »Bist du sicher, wir sollten die Ariel nehmen? Als ich das letztemal von Baron Ryoval hörte, war er noch am Leben. Das wird doch seine Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«
Das Haus Ryoval war einer von Bharaputras kleineren Rivalen im Bereich illegaler medizinischer Dienste. Seine Spezialität war die Herstellung genetisch erzeugter oder chirurgisch fabrizierter Menschen für jeden Zweck, Sex eingeschlossen – tatsächlich also von Sklaven nach Maß. Das war böse, aber noch nicht die mörderische Bosheit, die ihn quälte. Doch was hatte die Ariel mit 22
Baron Ryoval zu tun? Er hatte keine Ahnung. Sollte sich Thorne darüber den Kopf zerbrechen. Vielleicht würde der Hermaphrodit später mehr Hinweise geben. Er nahm sich vor, die erste Gelegenheit zu ergreifen und die Logbücher der bisherigen Missionen des Schiffs durchzuschauen.
»Diese Mission hat nichts mit dem Haus Ryoval zu tun. Wir werden ihm aus dem Weg gehen.«
»Das hoffe ich«, stimmte Thorne eifrig bei. Er schwieg und trank nachdenklich von seinem Tee. »Nun, obwohl Jackson's Whole schon lange fällig ist für ein Großreinemachen, vorzugsweise mit Atomwaffen, nehme ich doch an, daß wir das Ganze nicht nur aus reiner Herzensgüte unternehmen. Was ist diesmal die Mission hinter der Mission?«
Dafür hatte er eine Antwort eingeübt. »Tatsächlich ist nur einer der Klons oder eher einer seiner Erzeuger für unseren Auftraggeber von Interesse. Der Rest dient nur zur Tarnung. Bharaputras Kunden haben
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