Vorkosigan 11 Spiegeltanz
mochte, das ausgegossen war und im Wüstensand versikkerte. Die Flasche kehrte zum Kopfende des Tisches zurück und verschwand in der Tasche der Kapitänin. In Marks Augen pochte ein Schmerz im gleichen Takt mit den Nebenhöhlen, und sein Hinterkopf kam ihm gespannt vor wie trocknendes Rohleder.
Bothari-Jesek begann zu reden. »Diese Notfallbesprechung wurde zusammengerufen, um nur zwei Fragen zu klären, und das so schnell wie möglich. Was, zum Teufel, ist passiert, und was sollen wir als nächstes tun? Sind diese Helmrecorder unterwegs?«
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»Ja, Madame«, sagte Sergeant Framingham. »Korporal Abromov bringt sie.«
»Unglücklicherweise vermissen wir den wichtigsten«, sagte Quinn. »Korrekt, Framingham?«
»Ich fürchte ja, Madame. Ich fürchte, er steckt in einer Wand irgendwo in den Bharaputra-Gebäuden, zusammen mit dem Rest von Norwoods Helm. Verdammte Granaten.«
»Zum Teufel.« Quinn kauerte sich auf ihrem Sitz zusammen.
Die Tür des Besprechungsraums öffnete sich, und Korporal Abramov kam hereingetrottet. Er trug vier kleine, durchsichtige Tabletts aus Plastik übereinander gestapelt. Sie waren etikettiert:
›Kommando Grün‹, ›Kommando Gelb‹, ›Kommando Orange‹ und
›Kommando Blau‹. Auf jedem Tablett lagen zehn bis sechzehn winzige Knöpfe aufgereiht. Helmrecorder. Eines jeden Kämpfers persönliche Aufzeichnungen für die vergangenen Stunden, die jede Bewegung, jeden Herzschlag, jeden Scan, Schuß, Treffer und jegliche Kommunikation festhielten. Ereignisse, die in der EchtZeit für menschliches Fassungsvermögen zu schnell abgelaufen waren, konnten langsam abgespielt, analysiert und zerlegt werden, man konnte Verfahrensfehler entdecken und – beim nächstenmal – korrigieren.
Abromov salutierte und überreichte die Tabletts an Kapitänin Bothari-Jesek. Sie entließ ihn mit Dank und reichte die Tabletts an Kapitänin Quinn weiter, die ihrerseits die Recorder in den Datenschlitz des Simulators einführte und die Daten in den Computer kopierte. Sie codierte die Datei als ›Streng geheim‹. Ihre Finger mit den abgenagten Nägeln bewegten sich flink über der Tastatur des Vids.
Über der Tischplatte erschien der inzwischen vertraute, geisterhafte dreidimensionale Holo-Plan der medizinischen Anlagen des 181
Hauses Bharaputra. »Ich springe vorwärts zu dem Zeitpunkt, als wir im Tunnel angegriffen wurden«, sagte Quinn. »Da haben wir's, Kommando Blau, ein Teil des Grünen Kommandos …« Ein
Spaghetti-Gewirr von Linien aus grünem und blauem Licht erschien tief im Innern eines nebelhaften Gebäudes. »Tonkin war Kommando Blau Nr. 6 und behielt seinen Helm während allem, was folgt, auf.« Zum Kontrast ließ sie Tonkins Nr. 6-Spur im Plan gelb erscheinen. »Norwood trug immer noch Kommando Blau Nr.
10. Mark …«, sie kniff die Lippen zusammen, »trug Helm 1.«
Diese Spur fehlte natürlich auffallend. Quinn ließ Norwoods Nr.
10-Spur rosa erscheinen. »Wann hast du den Helm mit Norwood getauscht, Mark?« Sie schaute ihn bei dieser Frage nicht an.
Bitte, laßt mich gehen. Er war sich sicher, daß er krank war, denn er zitterte noch. In seinem Nacken krampfte sich ein kleiner Muskel zusammen, winzige Zuckungen in einer kribbelnden
Schicht von Schmerz. »Wir sind bis zum Grund dieses Liftrohrs hinabgestiegen.« Seine Stimme war ein trockenes Flüstern.
»Wenn … wenn Helm 10 wieder hochkommt, trage ich ihn. Norwood und Tonkin gingen zusammen weiter, und da habe ich sie zum letztenmal gesehen.«
Die rosafarbene Linie kroch tatsächlich das Rohr wieder hoch und folgte wurmartig dem Gewirr blauer und grüner Linien. Die gelbe Spur ging allein weiter.
Quinn ließ die Sprechkontakte schnell vorwärts laufen. Tonkins Bariton wirkte dabei wie das Winseln eines Insekts, das Amphetamine eingenommen hatte. »Als ich die beiden zum letztenmal kontaktierte, waren sie hier.« Quinn markierte die Stelle mit einem glühenden Lichtpunkt. Sie befand sich in einem inneren Korridor tief im Innern eines anderen Gebäudes. Quinn schwieg und ließ die gelbe Linie sich weiterschlängeln. Ein Liftrohr hinab, durch einen 182
weiteren Versorgungstunnel und unter einem Gebäude hindurch, hinauf und durch ein weiteres Gebäude.
»Da«, sagte Framingham plötzlich, »ist das Stockwerk, auf dem sie eingeschlossen wurden. Dort haben wir mit ihnen Kontakt aufgenommen.«
Quinn markierte mit einem weiteren Punkt. »Dann muß sich die Kryokammer irgendwo am Weg zwischen hier und dort befinden.«
Sie
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