Vorkosigan 11 Spiegeltanz
überwachte sie. Die Schiffe des Hauses Fell waren spezielle Kriegsschiffe für den Lokalraum, sie hatten keine Necklin-Stäbe und somit nicht die Fähigkeit, durch Wurmlöcher zu springen. Die Energie, die so gespart wurde, wurde in ein eindrucksvolles Aufgebot an Waffen und Abschirmung umgeleitet. Muskelprotzschiffe, sozusagen.
In einer diskreten Entfernung folgte dem Konvoi ein bharaputranischer Kreuzer, der mehr einer Jacht als einem Kriegsschiff glich und darauf vorbereitet war, wie vereinbart im Raum in der Nähe von Fells Station am Sprungpunkt Fünf Baron Bharaputra zu übernehmen. Leider war Miles' Kryokammer nicht an Bord dieses Kreuzers.
Quinn hatte fast einen Nervenzusammenbruch bekommen, bevor sie das Unvermeidliche akzeptieren konnte. Bothari-Jesek hatte sie bei ihrer letzten privaten Besprechung im Beratungszimmer buchstäblich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt.
»Ich werde Miles nicht zurücklassen!«, hatte Quinn geheult.
»Eher stoße ich diesen bharaputranischen Bastard in den Raum hinaus!«
»Hör mal«, hatte Bothari-Jesek gezischt und mit den Fäusten Quinns Jacke gepackt. Wenn sie ein Tier wäre, dachte Mark, dann wären ihre Ohren jetzt flach an den Kopf angelegt gewesen. Er hatte sich auf seinem Stuhl zusammengekauert und versucht, sich klein zu machen. Noch kleiner. »Mir gefällt das genausowenig wie 227
dir, aber die Situation geht jetzt über unsere Fähigkeiten. Miles ist offensichtlich nicht mehr in den Händen der Bharaputraner, sondern Gott-weiß-wohin unterwegs. Wir brauchen Verstärkung: nicht Kriegsschiffe, sondern trainierte Geheimdienstagenten. Jede Menge. Wir brauchen Illyan und den Kaiserlichen Sicherheitsdienst, wir brauchen sie unbedingt, und wir brauchen sie so schnell wie möglich. Jetzt ist es Zeit, Reißaus zu nehmen. Je schneller wir von hier abhauen, desto schneller können wir zurückkehren.«
»Ich werde zurückkommen«, schwor Quinn.
»Das mußt du mit Simon Illyan ausmachen. Ich verspreche dir, er wird genauso interessiert sein wie wir, die Kryokammer wiederzufinden.«
»Illyan ist nur ein barrayaranischer …« – Quinn suchte stotternd nach einem Wort – »Bürokrat. Ihm ist das sicher nicht so wichtig wie uns.«
»Darauf solltest du nicht wetten«, flüsterte Bothari-Jesek.
Am Ende siegten Bothari-Jesek, Quinns Pflicht gegenüber den übrigen Dendarii und die Logik der Situation. Und so kam es, daß Mark für seinen – wie er sich sehnlichst wünschte, letzten – Auftritt als Admiral Miles Naismith die graue Offiziersuniform anlegte, um die Übergabe ihrer Geisel auf ein Shuttle des Hauses Fell zu überwachen. Mark konnte nur hoffen, daß die ganze Sache unangenehm würde.
Bothari-Jesek kam und eskortierte Mark persönlich von seiner Kabine bzw. Zelle zum Korridor vor der Shuttleluke, wo das Fellsche Schiff anklampen sollte. Sie sah so kühl wie immer aus, wenn auch müde, und anders als Quinn beschränkte sie ihre Kritik am Sitz seiner Uniform darauf, beiläufig seine Kragenspiegel geradezurücken. Die mit Taschen besetzte Jacke war weit und reichte weit genug hinab, um so den Hosenbund zu verdecken, der tief in 228
seinen Leib einschnitt, so daß man nicht sehen konnte, wie sein Bauch über den Gürtel zu quellen begann.
»Warum muß ich das machen?«, jammerte er.
»Es ist unsere letzte Chance, um Vasa Luigi sicher zu beweisen, daß du Miles Naismith bist und daß dieses … Ding in der Kryokammer nur ein Klon ist. Einfach für den Fall, daß die Kryokammer den Planeten nicht verlassen hat, und für den Fall, daß die Bharaputraner sie, egal wohin auch immer sie gebracht wurde, durch irgendeinen Zufall eher finden als wir.«
Sie kamen zur selben Zeit im Korridor vor der Shuttleluke an wie ein paar schwer bewaffnete Dendarii-Techniker, die sich an der Steuerung der Andockklampen aufstellten. Kurz darauf erschien Baron Bharaputra, eskortiert von der wachsamen Kapitänin Quinn und zwei nervösen Dendarii-Wachen. Die Wachen waren hauptsächlich zur Dekoration da, urteilte Mark. Die wirkliche Macht und die wirkliche Bedrohung, die schweren Figuren auf diesem Schachbrett, waren die Sprungpunktstation Fünf und die Schiffe von Haus Fell, die sie unterstützen. Er stellte sie sich vor, wie sie im Raum um die Dendarii-Schiffe postiert waren. Schach. War Baron Bharaputra ein König? Mark kam sich vor wie ein Bauer, der sich als Springer verkleidet hatte. Vasa Luigi ignorierte die Wachen, hielt ein halbes Auge auf Quinn, die Schwarze Königin,
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