Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Kopf zu Rotz. Versprich mir – versprich mir bei deinem Wort als Vorkosigan! –, daß du nicht zuläßt, daß das so weitergeht.« »Hören Sie zu, Simon! Ich weiß alles darüber. Aber ich werde Ihnen nicht – verdammt noch mal! – die Kehle durchschneiden.
Wir haben statt dessen eine Operation geplant, um den Chip herauszunehmen. Spätestens morgen, falls ich irgendwas zu sagen habe, und das habe ich. Der Chip kann nicht repariert werden, also werden wir ihn herausnehmen.« Illyan schwieg einen Moment. »Herausnehmen …?« Seine Hand berührte die Stirn. »Aber wie funktioniere ich ohne ihn?« »Genauso wie in den ersten siebenundzwanzig Jahren Ihres Lebens, bevor der Chip installiert wurde, ist die günstigste Voraussage der Ärzte.« In Illyans Augen waren Ernst und Furcht zu lesen. »Wird er … all meine Erinnerungen mitnehmen? Werde ich mein ganzes Leben verlieren? O Gott, Miles.« Er schwieg eine Weile, dann fügte er hinzu: »Ich glaube, es wäre mir lieber, wenn du mir die Kehle durchschneidest.« »Das steht nicht zur Debatte, Simon.« Illyan schüttelte den Kopf. Und löste sich aufs neue in einen anderen Illyan auf. Es folgte eine weitere Runde von: »Miles!
Was tust du hier? Was tue ich hier?« Er starrte auf seine Zivilkleidung. Illyan bevorzugte eine wirklich langweilige Mode oder traute ansonsten seinem eigenen Geschmack nicht. »Jetzt sollte ich mich in voller Ausgehuniform im Rat der Grafen befinden.
Man muß es ihnen sagen – man muß es ihnen sagen …« Miles konnte nicht entscheiden, ob Illyans Worte unter diesen Umständen die Zustimmung eines Patienten bedeuteten, der über die Risiken unterrichtet worden war, oder nicht. War Illyan unterrichtet? War es überhaupt Zustimmung? Aber es schien ihm das beste zu sein, was er erreichen konnte. Er wiederholte seinen Refrain. Immer wieder und wieder.
Endlich geleitete Dr. Ruibal Lady Alys ins Zimmer. Er hatte sie, wie von Miles gewünscht, informiert; Miles konnte es in ihrem gefaßten, beunruhigten Gesicht lesen.
»Hallo, Simon!« Ihre Stimme war ruhig, ein melodischer Alt.
»Lady Alys!« Illyans Gesicht arbeitete, während er sein Gedächtnis nach Miles-wußte-nicht-was durchsuchte. »Der Tod von Lord Vorpatril tut mir so leid«, sagte Illyan schließlich. »Wenn ich nur gewußt hätte, daß Sie sich in der Stadt aufhalten. Ich habe versucht, Admiral Kanzian herauszuholen. Wenn ich es doch nur gewußt hätte. Haben Sie das Kind gerettet?« Bitte um Entschuldigung und Ausdruck des Beileids über die Ermordung ihres Gatten vor dreißig Jahren. Kanzian war inzwischen schon ein halbes Jahrzehnt tot, gestorben an Altersschwäche. Alys warf Miles einen Blick heimlicher Angst zu. »Ja, Simon, es ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Leutnant Koudelka hat uns durch Vordarians Linien hindurchgebracht. Jetzt ist alles in Ordnung.« Miles nickte und wiederholte den Orientierungsrefrain als Modell für Alys. Sie lauschte aufmerksam dem Wortwechsel und beobachtete, wie Illyans Gesicht die übliche Folge von Emotionen durchlief, Erstaunen, Ablehnung, verwirrte Bestürzung. In ihrer Gegenwart verschwand aus Illyans Redeweise jede derbe Kasernensprache. Miles glitt von dem Stuhl neben Illyan und bot ihn ihr an. Sie setzte sich ohne Zögern und nahm Illyan bei der Hand.
Illyan blinzelte und schaute zu ihr auf. »Lady Alys!« Sein Gesicht entspannte sich. »Was tun Sie hier?« Miles zog sich zur Tür zurück, von wo aus Ruibal die Szene beobachtete.
»Das ist interessant«, sagte Ruibal und schaute auf eine Monitoranzeige an der Wand. »Sein Blutdruck ist ein bißchen gesunken.« »Ja, es … überrascht mich nicht. Kommen Sie hinaus und reden wir dort. Ich möchte auch ein Wort mit Avakli wechseln.« Zu dritt saßen sie, Miles, Ruibal und Avakli, jetzt alle in Hemds ärmeln, im Stationsraum und tranken Kaffee. Draußen war es tiefe Nacht, wie Miles erst jetzt bemerkte. Er wurde hinsichtlich der Zeit schon so konfus wie Illyan und bekam einen Vorgeschmack von dessen mechanistischer Ewigkeit.
»Also, Sie haben mich überzeugt, daß die Chirurgie hier ad äquat eingerichtet ist«, sagte Miles. »Erzählen Sie mir mehr über den Operateur.« »Er ist mein zweiter Oberarzt für Chirurgie zur Installation und Wartung der neuralen Implantate von Sprungpiloten«, erklärte Avakli.
»Warum nehmen wir nicht Ihren ersten Oberarzt?« »Er ist auch gut, aber der hier ist jünger, mit modernerer Ausbildung. Meiner Meinung nach ist er der beste Kompromiß zwischen
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