Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Gesichter scheinen zu helfen, ihn mit weniger Drogen ruhigzubleiben.« Alys straffte sich. »Das habe ich Ihnen doch schon gestern gesagt!« »Ja, Mylady«, erwiderte Haroche sanft. »Sie hatten recht. Darf ich Ihnen einen Wagen zu Ihrer Residenz schicken? Und wie bald?« »Dafür kann ich in fünfzehn Minuten fertig sein«, erklärte Alys.
Miles fragte sich, ob Haroche zu schätzen wüßte, was für eine eindrucksvolle Aussage das war. Manchmal konnte eine hohe Vor-Dame fünfzehn Stunden brauchen, um sich zum Ausgang bereit zu machen.
»Danke, Mylady. Ich glaube, dies könnte von großer Hilfe sein.« »Danke, General.« Sie zögerte. »Und danken Sie Lord Vorkosigan ebenfalls.« Sie brach die Verbindung ab.
»Uff«, sagte Haroche und zog einen schiefen Mund. »Die ist aber fix.« »Auf bestimmten Gebieten innerhalb ihrer persönlichen Sachkenntnis eine der fixesten.« »Man fragt sich, wie Lord Ivan … äh … na ja. Wie war das, Mylord Auditor?« Außerordentlich. »Eine noble Entschuldigung. Sie mußte sie akzeptieren. Sie werden es nicht bereuen.« »Wie schwer verständlich es Ihnen auch erscheinen mag, wenn man die Geschichte Ihrer Einstellung gegenüber den meisten Ihrer kommandierenden Offiziere bedenkt«, Haroche klopfte auf seine Komkonsole – welche Dateien hatte er eigentlich gelesen? –, »ich möchte meine Arbeit gut tun. Tun Sie Ihre Pflicht ist nicht genug. Die unteren Ränge sind voll mit Männern, die lediglich ihre Pflicht tun, und nicht mehr. Ich weiß, ich bin kein höflicher Mensch – bin es nie gewesen…« »Illyans Vorgänger, Oberst Negri, war es auch nicht, wie ich gehört habe«, warf Miles ein.
Haroche lächelte düster. »Ich habe mir diesen Notfall nicht gewünscht. Wahrscheinlich werde ich nie so geschmeidig und geschliffen wie Illyan sein. Aber ich beabsichtige, meinen Job ebenso gut zu machen wie er.« Miles nickte. »Danke, General.« Miles kehrte auf die Kliniketage zurück, um Ivan abzulösen. Er fand ihn immer noch neben Illyan sitzen – allerdings so weit zurückgelehnt auf seinem Stuhl, wie es ging – und gequält lächeln; ein Stiefel tappte in einem nervösen Rhythmus sanft auf den Boden.
Ivan stand hastig auf und kam zur Tür, als er Miles erblickte, der dort lehnte und die Szene betrachtete. »Gott sei Dank! Es wurde aber auch Zeit, daß du zurückkommst«, murmelte er.
»Wie war’s?« »Was glaubst denn du? Ich kann verstehen, warum sie ihn sediert haben, selbst wenn er nicht versucht, ihnen den Kopf abzureißen. So mußten sie sich nicht Stunde um Stunde dieses Zeug anhören. Miles, das ist ein Alptraum.« »Ja, ich weiß.« Miles seufzte. »Allerdings habe ich für diese Aufgabe Hilfe auf den Weg gebracht. Ich habe deine Mutter gebeten zu kommen und bei ihm zu sitzen.« »Oh«, sagte Ivan. »Eine gute Idee. Auf jeden Fall besser sie als ich.« Miles verzog den Mund. »Du hast keine Angst, daß es für sie zu schwer sein wird?« »Oh … hm. Sie ist verdammt robust.« »Robuster als du?« »Darin ist sie tüchtig«, versprach Ivan etwas verzweifelt.
»Mach eine Pause, Ivan.« »Ja.« Ivan wartete nicht auf eine zweite Einladung, sondern sauste an ihm vorbei.
»Und, Ivan?« Ivan hielt mißtrauisch an. »Ja?« »Danke.« »Oh, nicht der Rede wert.« Miles holte tief Luft und betrat Illyans Zimmer. Es war immer noch sehr warm. Er nahm seine Jacke ab und faltete sie über die Rückenlehne eines Stuhls, dann rollte er seine seidenen Ärmel hoch und setzte sich. Zuerst beachtete Illyan ihn eine Weile nicht, dann starrte er ihn verdutzt an, schließlich hellte sich sein Gesicht auf. Es begann wieder von neuem: Miles, was tust du hier …?
Simon, hören Sie mir zu. Ihr Chip hat einen Defekt … Immer wieder und wieder.
Es kommt einem ein bißchen vor, als redete man mit einem Menschen mit multiplen Persönlichkeiten, stellte Miles nach einer Weile fest. Der dreißigjährige Illyan überließ das Feld dem Illyan von sechsundvierzig, und beide unterschieden sich grundlegend vom Illyan mit sechzig Jahren. Miles wartete geduldig auf die Karte, die, wie er hoffte, aufs neue gespielt würde, und wiederholte endlos das Datum, die Fakten, die Situation. Würde er jemals den Punkt erreichen, wo alle Illyans informiert worden waren, oder würde sich Simon unendlich weiter aufspalten?
Schließlich meldete sich wieder der Illyan, auf den er wartete.
»Miles! Hat Vorberg dich gefunden? Mist, das ist ein Alptraum. Mein verdammter Chip hat einen Defekt. Er wird in meinem
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