Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
sie ihn nicht auf den Kopf. »Simon!« Illyan erhob sich und neigte sich über ihre Hand. »Mylady.« Na ja … Lady Alys würde ihn wahrscheinlich nicht davonziehen und sich verlaufen lassen. Miles trat zurück, als sie hinausrauschte, ihre Beute am Arm, die sich über derartige Erbeutung ziemlich zu freuen schien. Illyan war ein Gast, um Himmels willen, und stand nicht unter Hausarrest. »Äh … seid vorsichtig«, rief Miles hinter den beiden her.
Illyan winkte lässig, dann hielt er an. »Warten Sie bitte. Da war noch etwas … das ich vergessen habe.« Alys wartete. »Ja, Simon?« »Eine Nachricht für dich, Miles. Sie war wichtig.« Er rieb sich mit der rechten Hand an der Schläfe. »Ich habe die Diskette mit der Nachricht auf deine Komkonsole gelegt. Was war’s denn bloß noch mal? O ja. Von deiner Frau Mutter. Sie reist gerade von Komarr ab und wird in fünf Tagen hier sein.« Miles gelang es, das ›Ach du Scheiße‹ hinunterzuschlucken, das ihm auf der Zunge lag. »So? Dann ist mein Vater nicht dabei, oder?« »Ich glaube nicht.« »Nein, er ist nicht dabei«, warf Alys ein. »Ich habe heut nachmittag auch eine Nachricht von Cordelia bekommen – sie muß beide zusammen abgeschickt haben. Ich bin froh, daß sie mir bei der Verlobung helfen wird – na ja, eigentlich nicht helfen, du weißt ja, wie indolent deine Mutter werden kann, wenn sie sich mit diesen kleinen gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sieht. Aber mir hilft auf jeden Fall ihre moralische Unterstützung. Und wir haben noch soviel aufzuholen.« Illyans Lippen zuckten. »Du siehst nicht sonderlich erfreut aus, Miles.« »Oh, ich werde mich vermutlich freuen, sie zu sehen. Aber Sie kennen ja die Art, wie sie versucht, auf betanische Weise meine emotionale Temperatur zu messen. Wenn ich an all die über mich hereinbrechende mütterliche Sorge denke, dann möchte ich am liebsten den Kopf einziehen und abhauen.« »Mm«, machte Illyan mit wohlüberlegtem Mitgefühl.
»Sei doch nicht kindisch, Miles«, sagte seine Tante mit Nachdruck. Ihr Fahrer hob mit einem Pokergesicht das Verdeck, Illyan half ihr, sich hineinzusetzen und ihr Kleid zurechtzustreichen. All die Jahre eingehender Beobachtung der Vor-Klasse hatten ihn gewiß die richtigen Handgriffe gelehrt, das mußte Miles zugeben.
Und jetzt waren sie fort und überließen es Miles, wieder einen Abend lang im Palais Vorkosigan herumzuwandern und Selbstgespräche zu führen. Warum ging eigentlich nicht er mit Damen ins Konzert? Was hielt ihn davon ab? Tja, natürlich die Sache mit den Anfällen. Und die Krise mit Illyan, die noch ungelöst war.
Doch beides sah aus, als würde es bald beendet sein, und was dann? Lieber Gott, keine Doppelrendezvous mit Ivan mehr. Miles schauderte bei der Erinnerung an einige historische Desaster. Er brauchte etwas Neues. Irgendwie hing er immer noch in der Luft, ein Gefangener alter Gewohnheiten. Er war zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, verdammt. Wenn doch nur Quinn hier wäre … Er hoffte, seine Tante Alys würde heute abend vorsichtig sein.
An einem Nachmittag waren er und Illyan spazieren gegangen, wobei ihnen Korporal Kosti diskret gefolgt war, und Illyan hatte sich zwei Häuserblocks von Palais Vorkosigan entfernt verlaufen.
Miles wäre weniger nervös gewesen, wenn Illyan und Lady Alys im Haus geblieben wären und wieder Karten gespielt hätten, eine Form sanfter kognitiver Therapie, die Dr. Ruibal gebilligt hatte.
Illyan und Lady Alys kamen erst zwei Stunden nach Mitternacht zurück, lang nach dem Ende des Konzerts. Etwas mürrisch empfing Miles seinen Hausgast an der Tür.
Illyan wirkte leicht überrascht. »Hallo, Miles. Bist du noch auf?« Illyan sah aus, als ginge es ihm gut, wenn er auch etwas zerknittert war und spürbar nach guten Weinen und feinen Parfüms duftete.
»Wo sind Sie denn die ganze Zeit gewesen?«, wollte Miles wissen.
»Welche ganze Zeit?« »Seit das Konzert zu Ende war.« »Oh, wir sind herumgefahren. Haben eine späte Mahlzeit eingenommen. Haben geredet. Du weißt ja.« »Geredet?« »Nun ja, Lady Alys hat geredet. Ich habe zugehört. Für mich war es erholsam.« »Haben Sie Karten gespielt?« »Nicht heute abend. Geh zu Bett, Miles. Ich geh auf jeden Fall schlafen.« Gähnend ging Illyan die Treppe zu seiner Suite empor.
»Also, wie gefallen Ihnen Konzerte?«, rief Miles hinter ihm her.
»Sehr gut!«, kam es zurück.
Verdammt, wir übrigen werden wegen dieser Geschichte mit dem Chip noch verrückt. Warum
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