Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
ewig auf Beförderung zu warten – nein, sei vernünftig! Zweifellos würde er in einem gemütlichen Kämmerchen in den Eingeweiden des KBS enden und Daten analysieren, die von anderen Agenten für galaktische Angelegenheiten geliefert wurden, er würde nach einem regulären Plan Solderhöhungen einstreichen – aber man würde ihm den Stress der Beförderung zum Abteilungsleiter oder zum Chef des KBS ersparen. Er würde jeden Abend nach Hause gehen und in seinem eigenen Bett in Palais Vorkosigan schlafen, genau wie Ivan, der zu seiner Wohnung heimtrottete. Und allein schlafen? – Nicht einmal unbedingt.
Wenn er doch nur diesen dreimal verfluchten Bericht nicht gefälscht hätte.
Miles seufzte. »Das ist alles völlig hypothetisch, fürchte ich.
Was diese Idee mit den Anfällen nach Plan angeht … das ist keine wirkliche Heilung, oder?« »Nein. Aber während Sie darauf warten, daß jemand, der intelligenter ist als ich, eine Lösung findet, würde es Ihre Symptome unter Kontrolle halten.« »Falls niemand auftaucht, der intelligenter ist als Sie, würde ich dann diese verdammte Geschichte bis zum Ende meines Lebens haben?« Chenko zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ihr Zustand ist nach meiner Erfahrung als Neurologe einzigartig.« Miles saß eine Weile stumm da. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Versuchen wir es. Und sehen wir, was passiert.« Er mußte kurz lächeln: das war Gregors übliche Redewendung – ein privater Scherz.
»Sehr gut, Mylord.« Chenko machte sich schnell ein paar Notizen. »Sie müßten dann in … hm … etwa einer Woche wieder bei uns vorbeischauen.« Er hielt inne und schaute auf. »Verzeihen Sie mir meine Neugier, Mylord … aber warum, um alles in der Welt, sollte ein Kaiserlicher Auditor sich wünschen, als einfacher KBS-Leutnant wieder in die Streitkräfte aufgenommen zu werden?« Als KBS-Hauptmann. Ich wollte als KBS-Hauptmann wieder aufgenommen werden. »Ich bin nur amtierender Auditor, fürchte ich. Meine Amtszeit endet, wenn mein Fall abgeschlossen ist.« »Äh, und … was ist Ihr Fall?« »Streng geheim.« »Oh, ganz recht, Verzeihung.« Als Miles seine Komkonsole abschaltete, dachte er über Chenkos sehr berechtigte Frage nach. Anscheinend hatte er darauf keine sehr zufriedenstellende Antwort.
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KAPITEL 20
Als die Tage verstrichen, ohne daß etwas geschah, neigte Miles widerstrebend immer mehr zu Haroches stärker werdender Ansicht, daß das Versagen des Chips natürliche Ursachen gehabt hatte. Der neue amtierende Chef des KBS agierte sicher in der ganzen Sache weniger angespannt. Doch warum sollte Haroche nervös bleiben, wenn es doch keine Nachfolgetat gegeben hatte, keine Attacke während des Zeitfensters der Verwirrung? Die Machtübergabe war glatt vonstatten gegangen. Falls das vermutete Komplott den Zweck gehabt haben sollte, statt Illyans Persönlichkeit die Organisation des KBS durcheinanderzubringen, so war es ein bemerkenswerter Flop gewesen.
Drei Tage bevor Gräfin Vorkosigan in der Hauptstadt eintreffen sollte, hielt Miles es nicht mehr aus und beschloß, nach Vorkosigan Surleau zu flüchten. Er hegte weder die Hoffnung noch wirklich das Verlangen, ihr bei ihrem Besuch zu Hause völlig aus dem Weg zu gehen, aber er war einfach noch nicht ganz bereit, ihr gegenüberzutreten. Vielleicht würden ein paar Tage der Ruhe auf dem Land ihm helfen, seinen Mut zusammenzunehmen. Außerdem … wäre es auch aus Sicherheitsgründen gut für Illyan. Dort draußen in dem dünn besiedelten Gebiet, wo Fremde sofort auffielen, war es einfacher, heranrückende Störenfriede zu entdekken.
Der einzige Zweifel, den Miles bezüglich dieses Rückzugs in das Landhaus hatte, bestand darin, ob er seine Köchin würde überreden können, ihn und Illyan zu begleiten. Doch Martin erwies sich als mächtiges Bestechungsmittel, um Mama Kosti aus der ihr vertrauten Stadt in das verdächtige Hinterland zu locken.
Miles erwog, nicht das Gehalt der Köchin, sondern ihres Sohnes zu erhöhen, um ihn und damit auch sie zu verlocken, länger bei ihm zu bleiben. Doch vielleicht würde er bald keinen Fahrer mehr brauchen.
Illyan war mit dem vorgeschlagenen Ausflug einverstanden, wenn auch nicht gerade überschwenglich begeistert.
»Diese Woche ist wahrscheinlich die allerletzte mit gutem Herbstwetter dort draußen«, erklärte Miles; tatsächlich erlebte die Hauptstadt eine Folge ziemlich kalter und regnerischer Tage, mit einem unangenehmen Vorgeschmack frühen
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