Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorkosigan 12 Viren des Vergessens

Vorkosigan 12 Viren des Vergessens

Titel: Vorkosigan 12 Viren des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
Bergbewohnerinnen ordentlich im Nacken zurückgebunden, und sie trug die einfache, jedoch saubere und gut genähte Kleidung einer Frau aus den Bergen. Wie die Mehrzahl ihrer Schüler war sie bei diesem milden Wetter barfuß. Ihre leicht hervortretenden grauen Augen waren lebhaft und warm. Als sie Miles und Lern erblickte, brach sie ihre Lektion sofort ab.
    »Lord Vorkosigan! Also nein sowas, das hätte ich nie erwartet!« Sie ging ebenso auf ihn zu wie Zed und Lern, war jedoch nicht mit bloßem Händeschütteln zufrieden, sondern umarmte ihn. Immerhin hob sie ihn nicht hoch. Miles verbarg seine Überraschung, sammelte sich schnell genug, um ihre Umarmung zu erwidern, und nahm ihre beiden Händen in einer halben Drehung, als sie ihn losließ.
    »Hallo, Harra. Sie sehend blendend aus.« »Seit Hassadar habe ich Sie nicht mehr gesehen.« »Ja, ich … hätte schon längst einmal kommen sollen. Aber ich war immer so beschäftigt.« »Ich muß Ihnen sagen, es war ungeheuer wichtig für mich, daß Sie zu meiner Examensfeier an der Lehrerbildungsanstalt kamen.« »Da hatten wir Glück, daß ich gerade zu der Zeit auf Barrayar war. Das war nicht mein Verdienst.« »Wie man es nimmt. Kommen Sie, schauen Sie …« Sie schleppte ihn zur Stirnseite des Raums. »Schaut, Kinder, wer gekommen ist, uns zu besuchen! Es ist euer Lord Vorkosigan!« Sie schauten ihn eher interessiert an als mißtrauisch oder abgestoßen; ihre Blicke wanderten hin und her, um den seltsamen kleinen Mann, der da leibhaftig vor ihnen stand, mit dem Bild an der Stirnwand ihres Klassenzimmers zu vergleichen. Über dem Freiraum für Vid-Projektionen waren drei Standfotos aufgereiht; zwei davon waren obligatorisch: Kaiser Gregor in der prächtigen, farbenfreudigen Paradeuniform und der Graf des Distrikts, Miles’ Vater, der streng aus der formellsten braun-silbernen Vorkosigan-Livree schaute. Das dritte Porträt war nicht vorgeschrieben – öffentliche Einrichtungen mußten normalerweise nicht auch noch ein Porträt des Erben ihres Grafen aufhängen, aber von dort oben grinste Miles sein eigenes Gesicht entgegen. Es war eine seiner steiferen Aufnahmen aus jüngeren Tagen, auf der er die grüne Uniform der kaiserlichen Streitkräfte mit den hellblauen Kragenspiegeln eines Fähnrichs trug. Es mußte aus der Zeit seiner Abschlußfeier an der Akademie stammen, denn am Kragen glitzerten noch keine silbernen Horusaugen. Woher, zum Teufel, hatte Harra dieses Bild bekommen?
    Sie präsentierte ihn ihren Schülern so stolz wie ein Teilnehmer bei einer Schulausstellung, aufgeregt wie eine Sechsjährige, die ein Einmachglas mit ihren Lieblingskäfern herzeigte. Miles hatte nicht erwartet, jemandem zu begegnen, als er nach Silvy-Tal gekommen war, und schon gar nicht, öffentlich zu sprechen, und er kam sich ausgesprochen salopp vor in seiner alten Jacke im ländlichen Stil und der abgetragenen schwarzen Hose, Überbleibsel einer Arbeitsuniform aus der Armee, ganz zu schweigen von den abgetretenen Armeestiefeln, die er am Staudamm mit Schlamm bespritzt hatte. Aber er brachte ein paar allgemeine, herzliche Kommentare der Art ›Gut gemacht, gut gemacht‹ hervor, die allen Freude zu bereiten schienen. Harra führte ihn über die Veranda in den Nachbarraum und wiederholte die Vorführung, womit sie die junge Frau, die dort unterrichtete, in helle Aufregung versetzte und den Zappelquotienten der jüngeren Schüler fast bis zur Explosion erhöhte.
    Als sie über die Veranda zum ersten Raum zurückgingen, nahm Miles Harra an der Hand und zwang sie, einen Augenblick langsamer zu gehen. »Harra – ich bin nicht zu einem Überraschungsbesuch hier heraufgekommen, um Himmels willen. Ich bin bloß gekommen, um … nun, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich wollte bloß an Rainas Grab ein kleines Gedächtnisbrandopfer darbringen.« Der Dreifuß, das Feuerbecken und die aromatischen Hölzer waren im rückwärtigen Teil des Leichtfliegers verstaut.
    »Wie schön von Ihnen, Mylord«, erwiderte Harra. Miles machte eine kleine Geste, mit der er ihr Lob zurückwies, doch sie schüttelte den Kopf und verwarf seine Ablehnung.
    »Es scheint, als brauchte ich jetzt ein Boot dafür«, fuhr Miles fort, »und ich möchte es nicht riskieren, das Boot anzuzünden, in dem ich sitze. Oder habt ihr den Friedhof verlegt?« »Ja, vor der Flutung haben einige Leute, die es wünschten, Gräber verlegt. Wir haben einen wirklich schönen neuen Platz oben am Bergrücken ausgesucht, wo man einen Ausblick auf

Weitere Kostenlose Bücher